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2.17 Rechte der Gefangenen stärken

Um die Resozialisierungsziele des Strafvollzugs zu erreichen braucht es auch ausreichend Kontakt zu den Angehörigen, gute Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, bei Bedarf psychosoziale Unterstützung und menschenwürdige Unterbringungsbedingungen.

Vorschlag 1

Die Rechte der Gefangenen müssen in folgenden Bereichen gestärkt werden:

  • voller Sozialversicherungsschutz
  • Arbeitslosenversicherung auch für Arbeit während U-Haft
  • verpflichtende Planung von Aktivitäten zur Resozialisierung im Vollzugsplan und zur Vorbereitung der Entlassung im Integrationsplan sowie Recht der Gefangenen darauf, bei der Erstellung dieser Pläne gehört zu werden
  • Beschäftigung (beziehungsweise Ausbildung) im Vollzug nicht nur als Pflicht, sondern auch als Recht der Gefangenen
  • mindestens acht Stunden am Tag (auch an Wochenenden und Feiertagen) muss den Gefangenen Gelegenheit zum Verlassen der Zelle und Kontakt mit anderen Personen geboten werden. Offener Wohngruppenvollzug soll bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Regel sein
  • Anhebung der Mindestbesuchsstunden, die gewährt werden müssen von derzeit einer halben Stunde auf zwei Stunden je Woche
  • Umsetzung der präventiven Empfehlungen der Volksanwaltschaft (siehe Schriftenreihe der VA, Band VII, 2018)
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1993 gab es bereits eine Einigung aller Parlamentsparteien auch betreffend die Kranken- und Pensionsversicherung für Gefangene (die Arbeitslosenversicherung wurde damals eingeführt). Da sie zu Arbeit verpflichtet sind sollen sie in dieser Zeit auch in der Sozialversicherung vollversichert sein.
Während U-Haft besteht zwar keine Arbeitspflicht, aber die Möglichkeit zu arbeiten. Für die Arbeitsverrichtung während U-Haft ist in § 187 StPO eine sinngemäße Geltung der §§ 44 bis 55 StVG vorgesehen. Es besteht also für die während U-Haft geleistete Arbeit – genauso wie für während einer Strafhaft oder Maßnahmenunterbringung geleistete Arbeit – ein Anspruch auf Arbeitsvergütung. Im Gegensatz zur Arbeitsvergütung ist jedoch für die während u-Haft geleistete Arbeit keine Arbeitslosenversicherung nach § 66a Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) vorgesehen. Daraus ergeben sich für Beschuldigte während der – oft mehrere Monate andauernden – U-Haft wesentliche Lücken in ihren Arbeitslosenversicherungszeiten. Der Anwendungsbereich der Arbeitslosenversicherung nach § 66a AlVG soll daher auf Beschuldigte, die während U-Haft arbeiten, ausgeweitet werden.
Im Gegensatz zum derzeit vorherrschenden „Verwahrungsvollzug“ ist es für die Vorbereitung der Integration in die Gesellschaft notwendig, die Gefangenen als aktive Beteiligte mit Rechten und Pflichten zu verstehen. Daher brauchen wir eine Abkehr von der extrem behütenden, bewachenden und verwahrenden Haltung, hin zu einer Aktivierung der Gefangenen, selbst für ihre Rechte einzutreten. Das Sozialverhalten hinter Gitter ist so gut als möglich dem erwünschten Sozialverhalten draußen anzunähern. Weil das nur teilweise erreicht werden kann, ist überhaupt so rasch wie möglich auf alternative Vollzugsformen außerhalb der Gefängnisse umzustellen. Wenn Rechte der Gefangenen nicht ausreichend Beachtung finden, kann das Behüten und Bewachen in einer totalen Institution tendenziell auch in ritualisierte Formen der Entwürdigung und Missachtung umschlagen; ein Faktum, das in der Literatur über Gefängnisse längst als gesichertes Wissen gilt und das auch in unregelmäßigen Abständen durch Einzelfälle medial dokumentiert wird.

Die Anhebung der Mindestbesuchszeit von einer halben Stunde je Woche auf zwei Stunden ist dringend notwendig, um den Kontakt zur Umgebung wenigstens so weit aufrechterhalten zu können, dass ein Minimum an Kontinuität bei wichtigen Beziehungen aufrechterhalten werden kann. Das wirkt nach der Entlassung stabilisierend und unterstützt die Integration.
Gut geplante sozial konstruktive Maßnahmen im Strafvollzug auch aktiv zu positionieren, ist die „Nagelprobe“ für die Haltung einer Gesellschaft zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten. Weder in der Wahl der Mittel noch in der Umsetzung ist von den Zielen des menschenwürdigen Umgangs abzuweichen.

Vorschlag 2

Maßnahmen der wiedergutmachenden Gerechtigkeit („Restorative Justice“) in den Strafvollzug implementieren.

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Restorative Justice kann im Vollzug als Form der Deliktverarbeitung, zur Verantwortungsübernahme, zum Erlernen von Opferempathie und als Anstoß zur Verhaltensänderung verwendet werden. Im Vollzug auftretende Formen von Aggression, Gewalt- und Eigentumsdelikten können mit Hilfe von Verhandlungstechniken und Mediation bearbeitet werden. Coaching und Organisationsentwicklungsprozesse im Vollzug sollten darauf aufbauen. Die aktive Mitgestaltung des Vollzugsklimas durch alle ist ein Modell für konstruktives Bewältigungsverhalten. Aushandlungsprozesse sollen geübt und praktiziert werden.

Alle Zeichen eines Ausstiegsprozesses aus kriminellen Verhaltensweisen bei Klient:innen müssen von professionell agierendem Personal wahrgenommen und belohnt werden. Abgeschlossene Trainings und Kurse sollen besondere Vergünstigungen sowie Ausgänge ermöglichen, und Reputation wachsen lassen. Aktuelle Forschung zu Ausstiegsprozessen zeigt, dass Klient:innen, die aus der Kriminalität aussteigen, zuvor ein Gefühl haben, selbst verantwortlich zu sein für das, was ihnen passiert und glauben, ihr Leben meistern zu können. Klient:innen, die kriminell bleiben, hatten hingegen zuvor das Gefühl, dass sie keine Zukunftsperspektiven haben und ihre Lage ohnehin ausweglos sei. Übernahme von Verantwortung ist also der wichtigste Faktor für den Ausstieg aus der Kriminalität und sollte daher geübt werden.