Vier Jahre lang (zwischen 2003 und 2007) gab es stark ausgeweitete Möglichkeiten eines Strafaufschubs, ohne dass vermehrte Rückfälle bemerkbar gewesen wären, aber auch ohne die Möglichkeit einer begleitenden Betreuung durch Bewährungshilfe. Es wird daher vorgeschlagen, das Instrument des Strafaufschubs gezielt für die Verbesserung einer zum Urteilszeitpunkt noch negativen Zukunftsprognose einzusetzen.
Vorschläge
- Die Bestimmungen des „Bundesgesetzes, mit dem vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden“ (Art. 65 Budgetbegleitgesetz 2003; BGBl I Nr. 71/2003) sollten ohne Befristung in § 6 StVG übernommen werden. Kurz zusammengefasst sollen die gesetzlichen Grundlagen für einen Strafaufschub von bis zu 18 Monaten unter folgenden Voraussetzungen (wieder) geschaffen werden:
- Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe höchstens 18 Monate, wenn keine besondere Gefährlichkeit (§ 6 Abs. 1 StVG) anzunehmen ist und die sonstigen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Z 2 lit. a StVG gegeben sind (Zweckmäßigkeit für späteres Fortkommen, Wirtschaftsbetrieb, Unterhaltspflichten oder Schadenswiedergutmachung);
- Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe höchstens zwölf Monate im Erstvollzug, wenn keine besondere Gefährlichkeit anzunehmen ist;
- Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe höchstens sechs Monate in anderen Fällen, wenn keine besondere Gefährlichkeit anzunehmen ist.
- Darüber hinaus sollte im Zusammenhang mit jedem Aufschub von mehr als sechs Monaten die Anordnung von Bewährungshilfe als begleitende präventive Maßnahme möglich sein.
- Die Gründe für einen Strafaufschub nach § 6 Abs. 1 Z 2 StVG sollen ausgeweitet werden. Auch Therapie oder Behandlung, Ausbildung und Tataufarbeitung sollen durch den Strafaufschub ermöglicht werden.
- Wenn der Strafaufschub insoweit erfolgreich ist, als keine weitere Straftat begangen wird und allfällige Weisungen sowie eine allfällige Bewährungshilfe-Anordnung eingehalten werden, soll analog zu § 40 SMG eine bedingte Nachsicht mit einer Probezeit von bis zu drei Jahren erfolgen.
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Das genannte Bundesgesetz war im Zeitraum 21.8.2003 bis 30.6.2007 Grundlage für stark erweiterte Möglichkeiten des Strafaufschubs, ohne dass ein Ansteigen von Rückfallkriminalität festgestellt werden konnte. Die Möglichkeit einer Bewährungshilfe-Anordnung würde in den Fällen eines längeren Strafaufschubs, in denen sie indiziert ist (insbesondere bei multiplen psychosozialen Problemlagen), zusätzlich präventive Wirkung entfalten. Derzeit kann Bewährungshilfe im Zusammenhang mit einem Strafaufschub jedoch nur unter den in § 50 Abs. 1; 2. Satz StGB genannten Voraussetzungen angeordnet werden (Aufschub der Einleitung einer Freiheitsstrafe, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat verhängt wurde, für die Dauer von mehr als drei Monaten).
Tataufarbeitung
Als „Tataufarbeitung“ wird eine Kombination bereits etablierter Formen sozialarbeiterischer Interventionen vorgeschlagen, um eine nach § 6 Abs. 3 StVG erforderliche spezialpräventive Wirkung möglichst sicher zu gewährleisten. Sie soll sowohl eine Deliktverarbeitung, die im Rahmen der Bewährungshilfe durchgeführt wird, als auch eine Konfliktregelung mit (freiwilliger) Einbeziehung des Opfers beinhalten. Tataufarbeitung soll zusammen mit der Anordnung von Bewährungshilfe als Weisung nach § 6 Abs. 3 StVG auferlegt werden können.
Wenn zu unbedingten Freiheitsstrafen Verurteilte für die Dauer von 18 Monaten rückfallfrei geblieben sind und darüber hinaus Weisungen sowie Betreuungsverpflichtungen eingehalten haben, dann hat sich die zum Urteilszeitpunkt vorliegende Annahme, dass es des Strafvollzugs bedarf, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, nicht bestätigt. Das ist ein nachträglich eingetretener Umstand (§ 31a StGB), der (zwingend) zu einer nachträglichen Milderung der Strafe in Form einer bedingten Nachsicht führen soll. Wenn schließlich auch eine bis zu dreijährige Probezeit erfolgreich verläuft, ist keine präventive Notwendigkeit eines Strafvollzugs mehr zu erkennen, sodass die Strafe endgültig nachzusehen ist.
Vorschlag
Strafaufschub nach § 52 JGG (vorbereitet mit Sozialnetzkonferenz und begleitet mit intensiver Bewährungshilfebetreuung) auch für „Ausbildungsaussteiger:innen“.
Als (auch kriminogenes) Hauptproblem in der Betreuung jugendlicher Straftäter:innen stellt sich häufig die fehlende Tagesstruktur dar. Die Sozialnetzkonferenz hat sich insbesondere als Unterstützung beim Aufbau einer funktionierenden Tagesstruktur bewährt. Vorbereitet durch Sozialnetzkonferenz und begleitet durch eine besonders intensive Betreuung im Rahmen der Bewährungshilfe kann auch in Fällen eines bereits erfolgten Ausstiegs aus der Schul- oder sonstigen Ausbildungslaufbahn ein Strafaufschub zum Zweck eines Wiedereinstieges und Abschlusses der Berufsausbildung erfolgreich sein. Die Voraussetzungen für einen Strafaufschub nach § 52 JGG sollten entsprechend ausgeweitet werden.