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Es gibt immer was zu tun

Die Frage nach dem Motto des diesjährigen Weltfrauentages beantwortet die wohl gängigste Suchmaschine an prominenter Stelle mit #EmbraceEquity, sich der Gleichberechtigung verschreiben. Wird der Link angeklickt, finden sich dort Bilder von Frauen, die sich mit breitem Lächeln selbst umarmen.

Diese Kombination aus Text und Bild macht – vor dem Hintergrund des Internationalen Frauentages, der in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz erstmals am 19. März 1911 als „Frauenkampftag“ oder „Internationaler Frauentag für den Kampf um das Frauenstimmrecht“ stattfand – wenig Sinn und wirkt nahezu zynisch.

Den Frauen ihr Recht; aus: Adelheid Popp: Der Weg zur Höhe. Wien 1929, Seite 131

Dies umso mehr, nachdem inzwischen zwar viel Zeit vergangen ist, es aber in Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter/Geschlechtsidentitäten noch ausreichend zu tun gibt; Mehr zu tun gibt, als die erheiternde Ermutigung im WWW zu spreaden, das Individuum solle gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen doch mit einer flauschigen Selbstumarmung begegnen.

Und während schon vielerorts Veranstaltungen unter dieses „Motto“ gesetzt werden, stellt sich heraus: Hoppla! Falschnachricht, Desinformation, Hoax?! Und dennoch widmet sich eine eigene Facebook-Seite diesem Motto und dort geben sich Vertreter:innen großer Konzerne selbst einen hug und bewerben – neben der Marke – ihre auf diesem Wege recht reibungsarm gestaltbare Bestrebung zur Etablierung von Geschlechtergerechtigkeit in der Firma. Eh lieb.

Das eigentliche, von UN Women deklarierte Thema lautet:

DigitALL: Innovation and technology for gender equality.


Der Explainer auf www.unwomen.at fragt in diesem Kontext: Wie kann Technologie die Rechte und das Wohlbefinden von Frauen und Mädchen gefährden?
Ein Beispiel hierfür wurde bereits ausgeführt. Mit Desinformation, mit dem Ablenken vom Wesentlichen. In diesem Fall mit der Reduktion von frauenspezifischen Themen, von frauenspezifischer Geschichte, von anhaltendem Fehlen von Chancengleichheit auf ein bisschen cuddling. Am besten sich selbst, das ist am ressourcenschonendsten.

Tatsächlich sind Mädchen und Frauen seit dem Aufkommen digitaler Technologien und der vermehrten Nutzbarmachung des Internet einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von digitaler Gewalt zu werden (EIGE 2017 und 2022), online bedroht, verfolgt oder durch Beschimpfungen aus digitalen Räumen verdrängt zu werden.

Dies findet oft auch beiläufig statt und wird nicht immer erkannt bzw. benannt. So ist z.B. Sexismus im Online-Gaming ein recht verbreitetes Phänomen und äußert sich durch eine von Männern dominierte Branche, in der sexualisierten Darstellung weiblicher Charaktere, im Mangel an Alternativen zu männlichen Hauptfiguren und durch toxisches, von einem patriarchalen Rollenverständnis geprägtem Verhalten gegenüber weiblichen Spieler: innen.

Was es braucht


Umso mehr braucht es Bestrebungen, die Sicherheit von Frauen und Mädchen in digitalen Räumen zu erhöhen, denn neben diesem Beispiel aus dem „Alltag“, bieten die verfügbaren Technologien eine breite Palette zur weiteren Manifestation und Modifikation von Cyber-Gewalt (vgl. EIGE 2022).

Gegenwärtig existiert noch keine einheitliche Kontextualisierung bzw. Definition von Cyber- bzw. Tech- Gewalt und fehlen engmaschige gesetzliche Regelungen in den meisten EU-Mitgliedstaaten.
Doch Straftatbestände wie z.B. Verhetzung (§ 283 StGB), Cyber-Mobbing (§ 107c StGB), Üble Nachrede (§ 111 StGB), Beleidigung (§ 115 StGB) und Gefährliche Drohung (§ 107 StGB) greifen nicht nur in der „echten Welt“, sondern auch in der digitalen und können so diesen blinden Fleck etwas ausleuchten.

Die Kolleg:innen von NEUSTART treffen in ihrer Arbeit immer wieder auf Schilderungen von unterschiedlichsten Gewaltformen gegen Frauen und Mädchen. Im Kontext der opferschutzorientierten Täterarbeit entsteht in diesen Momenten aber auch die wichtige Möglichkeit, die Rechte und den Schutz jener, die Gewalt erfahren mussten, indirekt zu stärken.

Damit dies gut gelingt, braucht es auch starke Netzwerke. Und so fußt die Arbeit von NEUSTART auch auf der guten Zusammenarbeit mit der Exekutive, mit Gewaltschutzeinrichtungen, mit der Männerberatung und mit Opferschutzeinrichtungen.

Real change, enduring change, happens one step at a time.
(The Notorious) RBG

Und, damit es nicht zu langsam geht: don’t hug yourself!

Zum Internationalen Frauentag besser die Ärmel hochkrempeln.

Über die/den Autor:in

Ines Ganahl ist seit 2022 im Zentralbereich Sozialarbeit tätig. Ihr inhaltlicher Schwerpunkt liegt aktuell auf dem elektronisch überwachten Hausarrest. Ein besonderer Fokus richtet sich auf das Themenfeld der häuslichen Gewalt.

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