Haftentlassenhilfe: Zurück in die Gesellschaft
Eine Freiheitsstrafe reißt Betroffene aus ihrem bisherigen Leben. Am Tag der Entlassung stehen die meisten völlig alleine und beinahe mittellos da. Ohne Familie, ohne Freunde, ohne Arbeit, ohne Geld und ohne Wohnung soll die oder der Haftentlassene diesen Neustart meistern.
Was ist Haftentlassenenhilfe und wofür wird sie angewendet?
Aufgabe der Haftentlassenenhilfe ist es, Inhaftierte auf ihre Entlassung vorzubereiten und sie nach der Entlassung dabei zu unterstützen, ein Zuhause zu finden, den Lebensunterhalt zu sichern und sich wieder an das Leben in Freiheit zu gewöhnen. Im Gegensatz zur Bewährungshilfe ist die Haftentlassenenhilfe eine Dienstleistung von NEUSTART, die freiwillig in Anspruch genommen wird.
Bei wem wird Haftentlassenenhilfe angewendet?
In der Haftentlassenenhilfe werden Menschen betreut, die nicht vorzeitig aus einer Haft entlassen wurden und
ihre Freiheitsstrafe vollständig verbüßt haben. Man könnte auch sagen, es sind Klient:innen, denen nicht mit anderen Maßnahmen, wie einer bedingten Entlassung mit Bewährungshilfe, das Absitzen der Strafe bis zum letzten Tag erspart werden kann.
93% von ihnen sind Männer, die im Schnitt neunfach vorbestraft sind und bereits mehrmals in Haft waren. Fast zwei Drittel von ihnen sind alkohol- oder drogenabhängig und nur 30% haben eine abgeschlossene Berufsausbildung.1 Die Arbeit mit Haftentlassenen ist daher besonders herausfordernd.
Wie wirkt Haftentlassenenhilfe
- 68% der entlassenen Klient:innen verfügen nach dem Abschluss der Haftentlassenenhilfe über ein Einkommen, das mindestens so hoch ist wie die Mindestsicherung.
- Für 70% war die Wohnsituation gesichert.2
- Bei einer Befragung stimmten außerdem 96% der Klient:innen der Aussage voll oder eher zu, dass es durch die Haftentlassenenhilfe zu einer positiven Veränderung ihres Lebens gekommen ist.
- Die Gespräche zwecks Verhinderung weiterer Straftaten mit den NEUSTART Sozialarbeiter:innen fanden 90% besonders hilfreich.3
- Im Schnitt blieben 58% der Klient:innen innerhalb von drei Jahren nach Ende der Haftentlassenenhilfe straffrei.4
Dies mag auf den ersten Blick ernüchternd wirken, ist aber durch die oben genannten besonderen Herausforderungen bei der Haftentlassenenhilfe zu relativieren:
- Bei Klient:innen mit etlichen Vor- und Haftstrafen,
- Suchtproblemen und/oder
- fehlender Berufsausbildung
ist oft eine gewisse Stabilisierung oder eine Verschiebung hin zu weniger problematischem Verhalten schon als Erfolg zu werten.
Kritische Phase Haftentlassung
Nach der Haftentlassung ist die Gefahr eines Rückfalls besonders hoch. Studien belegen, dass die Rückfallgefahr nach der Haft größer ist als nach einer bedingten Freiheitsstrafe, nach einer Geldstrafe oder nach diversionellem Vorgehen. Das wurde sowohl innerhalb als auch außerhalb Österreichs festgestellt.
Die Untersuchungen streuen von 40 bis 70 Prozent Rückfälligkeit, je nach Beobachtungszeitraum und Rückfallbegriff. Eine Wiederkehrerquote in Haft von etwa 40 bis 50 Prozent wird allgemein als realistisch angenommen. (Siehe etwa Hofinger/Peschak, 2018, Die neue österreichische Wiederverurteilungsstatistik; Hofinger/Neumann, 2008, Legalbiografien von NEUSTART Klientinnen und Klienten).
Da die Personen, die mit Endstrafe entlassen werden, eine besonders hohe Rückfallgefährdung haben, ist es für uns besonders wichtig gemeinsam mit den betroffenen Personen an der Verantwortungsübernahme für das kriminelle Handeln zu erarbeiten und Handlungsalternativen für zukünftige Risikosituationen zu erlernen.
Quellen
1NEUSTART Klient:innendokumentation
2NEUSTART Klient:innendokumentation
3NEUSTART Klient:innenbefragung 2021
4Hofinger/Peschak: Legalbiografien von NEUSTART Klienten II, IRKS, 2018
5Hofinger: Evaluationsstudie zur Haftentlassenenhilfe, IRKS, 2013
Broschüren und Informationen in verschiedenen Sprachen finden Sie unter Downloads.