Deradikalisierungsarbeit
Zielgruppe
Personen, die wegen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 278 b-g Strafgesetzbuch) beschuldigt beziehungsweise verurteilt sind, oder Personen, die wegen anderer Delikte in Betreuung sind und sich als radikalisiert herausstellen.
Ziel
Reduktion der Gewaltbereitschaft und eines gewaltaffinen Gedankenguts durch:
– Verhaltensänderung hin zu straffreiem Verhalten
– Einstellungsänderung – Anerkennung von demokratischen Werten und Gewaltfreiheit
– Deradikalisierung – kritische Reflexion, Aufarbeitung und Distanzierung von gewaltbereitem Extremismus
Rahmenbedingungen
- Arbeit im justiziellen Sanktionsrahmen (Weisung / Haft)
- Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Bewährungshilfe
mit vertieftem Wissen über Radikalisierungsprozesse, Religion und Weltsicht der Klientinnen und Klienten - gleichbleibende, spezialisierte Betreuungsperson, um eine belastbare Beziehung zu entwickeln
Methoden
- rehabilitativer Ansatz mit nachhaltiger Wirkung (Desistance / Rückfallsfreiheit)
- Motivationsarbeit zur Veränderung von Einstellungen und Verhalten
- Bearbeitung der individuellen Radikalisierungsgeschichte
- Stärken- beziehungsweise ressourcenorientierte sowie risikoorientierte Arbeit
Klient:innen
Durchschnittlich befinden sich 50 bis 60 Personen, vorwiegend im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, in Betreuung
Entwicklungsschritte der Klient:innen
- Erarbeiten nachhaltiger positiver Alternativen zur Gewaltbereitschaft
- Einsicht in eigenes Gefährdungspotenzial, Gewaltbereitschaft und Auswirkungen auf sich und andere
- Ablehnen von Gewalt als Mittel, Erarbeiten von gewaltlosen Alternativen und Konfliktlösungsstrategien
- Distanz zu gewaltbereitem Umfeld (widerstehen lernen)
- Entwicklung eines prosozialen Umfelds
- persönliche Stabilisierung auf Grundlage von Stärken und Ressourcen und Eingliederung in positives soziales Umfeld (Stärkung des Selbstbewusstseins, Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln)
- Verständnis für die eigene Biografie, Schlüsselerlebnisse und Radikalisierungsentwicklung schaffen
- Entwickeln eines positiven, gewaltfreien Selbst- und Zukunftsbilds
- Erarbeitung nachhaltiger positiver Perspektiven
Instrumente der Sozialarbeit
- Deliktverarbeitung als Prozess der dauerhaften Rückfallsprävention (klären von Verantwortung, Konsequenzen, Risiko, Planung für Umsetzungsschritte, Transfer in den Alltag und Überprüfung des Erfolgs)
- kontinuierliche Verhaltensanalyse (Bedrohungsmanagement
- regelmäßige Risikoanalyse mit dem Instrument VERA-2R
- Biografiearbeit
- Angehörigenarbeit
- Sicherung existenzieller Grundversorgung
- Krisenintervention
- Vernetzung mit Schul- und Ausbildungsorganisationen
- Unterstützung bei der Befähigung und Eingliederung in den Beschäftigungsprozess
- Haftalternativen für Gericht und Justizanstalt (Untersuchungshaft/Strafhaft) durch Organisation einer Sozialnetz-Konferenz ermöglichen
Kooperationen
- Fachpersonal der Justizanstalten: Justizwache, Psychologischer Dienst, Sozialer Dienst
- Jugendgerichtshilfe
- Verein DERAD (pädagogisch und religiös geschulte Personen mit Gegennarrativen zu radikalen Glaubenssätzen)
- Pilotprojekt NEUSTART KOMPASS
- Beratungsstelle Extremismus
- sonstige einschlägige Beratungseinrichtungen
Ablauf
Entscheidung des Gerichts:
Vorbereitung auf bedingte Entlassung aus Freiheitsstrafe
Sechs Monate Übergangsmanagement in der Haft durch NEUSTART
- Beginn spätestens sechs Monate vor der Haftentlassung, Dauer maximal ein Jahr
- durchschnittlich fünf persönliche Kontakte bis zur Haftentlassung
- Information über NEUSTART Angebote
- Verhaltens- und Risikoanalyse, Bedrohungsmanagement
- Kooperation mit Fachdiensten der Justizanstalt zur Entlassungsvorbereitung
- Entlassungskonferenz mit sozialem Unterstützungsnetz
(Familie et cetera) - bedingte Entlassung mit Bewährungshilfe zur Fortsetzung der Arbeit an Deradikalisierung und Distanzierung
Bedingte Verurteilung mit Anordnung von Bewährungshilfe
- innerhalb von zwei Monaten individuelles Arbeitskonzept, anschließend regelmäßige Aktualisierung
- für die Dauer der Probezeit durchschnittlich 2,5 monatliche Kontakte
- Zur Anwendung kommen Instrumente der Sozialarbeit wie eingangs beschrieben
Im Fall einer Untersuchungshaft bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
- innerhalb von 24 Stunden Auftrag zur Sozialnetzkonferenz
- innerhalb von zwei Wochen Durchführung der Sozialnetzkonferenz