Am 15. Dezember hat der Nationalrat einen ersten Schritt der Reform des Maßnahmenvollzugs beschlossen. Das neue Gesetz bleibt zwar hinter den Erwartungen und Forderungen des Netzwerks Kriminalpolitik zurück, ist aber dennoch ein wichtiger und längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung.
Über der mühseligen legistischen Arbeit und über der bestimmt nicht minder mühseligen Abstimmung zwischen Bund (zuständig für den Strafvollzug) und Ländern (zuständig für die Gesundheitsversorgung) steht eine ganz allgemeine Frage:
Wie wollen wir als Gesellschaft mit psychisch kranken Menschen umgehen?
Die Schweizer Journalistin Susan Boos hat sich in ihrem jüngsten Buch „Auge um Auge“ der Frage gewidmet, was wir mit gefährlichen Menschen tun, was wir tun können und was wir tun sollten. Boos hat dazu mit zahlreichen Expert:innen, Insassen, Angehörigen von Opfern und Tätern aus mehreren Ländern gesprochen. Sie wirft einen kritischen Blick auf das System der „Verwahrung“ in der Schweiz, in Deutschland, den Niederlanden und in Österreich.
Das Kapitel über den Maßnahmenvollzug in Österreich beginnt mit den Worten: „Österreich ist anders.“ Eines sei gleich vorweggenommen: dieses „anders“ ist nicht positiv gemeint.
Der Blick von außen auf den österreichischen Maßnahmenvollzug und der internationale Vergleich sind beschämend und unterstreichen den akuten Handlungsbedarf der Politik. Nun heißt es, Schritt zwei der Reform rasch anzugehen.
Susan Boos schließt ihr Buch mit einem ausführlichen Interview mit dem Strafrechtsprofessor Martino Mona. Er gilt als scharfer Kritiker des Maßnahmenrechts und tritt gleichzeitig für härtere Strafen ein. Wie das zusammenpasst und wie kontrovers es diskutiert wird, steht im Buch von Susan Boos. Wer also einen Büchergutschein zu Weihnachten bekommen hat, sich für den Strafvollzug und Menschenrechte interessiert, dem ist eine Investition in Susan Boos „Auge um Auge“ durchaus zu empfehlen.