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Unser Fazit nach einem Jahr Sicher.net

Das sozial- und sexualpädagogische Programm Sicher.net §207a entstand als Antwort auf die Gesetzesänderung am 1.12.2023, durch die die Strafdrohung für Herstellung, Besitz und Weitergabe von Kindesmissbrauchsdarstellungen erhöht wurden (§ 207a StGB). Nun ziehen wir nach einem Jahr Bilanz.

Rund die Hälfte aller Tatverdächtigen nach § 207 sind selbst minderjährig. Oft geht es dabei um ‚Sexting‘ oder Cybermobbing. Diese Grenzüberschreitungen durch Kinder und Jugendliche wird das Strafrecht nicht lösen können.

Daher haben wir ein sexual- und sozialpädagogisches Angebot für Beschuldigte dieser Altersgruppe entwickelt, das seit Anfang 2024 zur Anwendung kommt – und zwar immer dann, wenn Jugendliche mit dem Delikt § 207a StGB, eventuell in Kombination mit § 107c StGB (Cybermobbing), zur Bewährungshilfe zugewiesen werden. Das kann entweder nach einer Verurteilung oder bei einer diversionellen Erledigung der Strafsache der Fall sein. 

Ein Jahr Sicher.net

Im ersten Jahr wurden dem Programm Sicher.net 127 Klient:innen zugewiesen. Dabei zeigt sich, dass das Problem männlich ist, denn unter den 127 Jugendlichen waren nur 4 weiblich. Die Hälfte aller Klient:innen ist über die Diversion zugewiesen worden, die andere Hälfte nach einer Verurteilung. Bei der Gruppe der Verurteilten war bemerkenswert, dass häufig auch andere Delikte mit im Spiel waren, beispielsweise Verurteilungen nach dem Verbots- oder Suchtmittelgesetz. 

Es wird mit den Jugendlichen intensiv im Einzel- und Gruppensetting gearbeitet. Dabei geht es um Normverdeutlichung. Wir klären über den rechtlichen Rahmen auf: Welche Darstellungen sind erlaubt, wann mache ich mich strafbar und wofür brauche ich das Einverständnis der abgebildeten Person?

Die teilnehmenden Jugendlichen müssen sich unter professioneller Anleitung intensiv mit ihrer Tat, den Motiven und den Auswirkungen auf mögliche Opfer auseinandersetzen.

Dabei gibt es sehr viele Aha-Erlebnisse. Jugendliche sind sich oft schlicht nicht bewusst, dass zum Beispiel durch den Besitz eines bestimmten Bildes oder Videos gegen das Gesetz verstoßen wird. 

Weitere Themen sind Medienkompetenz, die Darstellung von Sexualität in der Pornografie und die Erreichung einer Opferempathie. Mit Fragen wie ‚wie denkst du, fühlt sich die dargestellte Person?‘ wollen wir eine Reflexion und Unrechtsbewusstsein erreichen und die Jugendlichen dazu bringen, in Zukunft kritischer zu sein, wenn sie solche Bilder und/oder Videos erhalten. 

Unser Fazit

Sicher.net §207a ist eine bessere Alternative zur Strafe. Einerseits tragen die Jugendlichen, die das Programm absolviert haben, ihr Wissen weiter in ihre Freund:innenkreise. Andererseits, wird durch das Programm verhindert, dass Jugendliche als Sexualstraftäter:innen verurteilt werden. Das könnte weitreichende Folgen wie etwa Tätigkeitsverbote haben und ist keine angemessene Reaktion auf das Verhalten der Jugendlichen. 

Über die/den Autor:in

Lina Swoboda ist seit 2023 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihr Schwerpunkt ist die digitale Kommunikation.

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