Bitte stell dich kurz vor:
Mein Name ist Susanne Liegl, ich bin 47 Jahre alt und habe zwei Wohnsitze, nämlich Graz und Paldau.
In welcher NEUSTART Einrichtung und welchem Bereich arbeitest Du?
Ich habe im Jahr 2002 in der damaligen Einrichtung „NEUSTART Obersteiermark“ begonnen. Meine Dienstorte waren Leoben und Kapfenberg. 2011 habe ich mich dann auf eigenen Wunsch an meinen Wohnort Graz versetzen lassen, weil ich das tägliche Pendeln in die Obersteiermark nach so vielen Jahren als anstrengend empfunden habe. Ich arbeite derzeit in den Bereichen Bewährungshilfe, elektronisch überwachter Hausarrest, Gewaltpräventionsberatung, bin – gemeinsam mit meiner lieben Kollegin Nadja – Leiterin eines Teams Ehrenamtlicher und mache noch die sogenannte „Gewaltpräventionsgruppe“, das ist – kurz gesagt – ein Gruppenangebot für Frauen, die im Frauenhaus untergebracht sind.
Seit wann bist du bei NEUSTART?
Seit Juni 2002, und ich bin immer noch gerne dabei. Die Rahmenbedingungen unserer Arbeit haben sich zwar verändert aber ich konnte mich bisher immer gut anpassen. Der Fokus meiner Arbeit liegt ohnehin bei den Klient:innen – und wird sich auch nie ändern.
Gibt es so etwas wie einen typischen Arbeitstag für dich? Falls ja, wie sieht dieser aus?
So was von nein (lacht) – und genau das liebe ich an unserer Arbeit. Es gibt aber natürlich Fixpunkte, wie Teambesprechungen, die planbar sind und für das ganze Jahr im Kalender eingetragen werden können. Ansonsten füllt sich mein Kalender eher spontan. Ich habe es aufgegeben, mir fixe Zeiten für administrative Dinge einzuplanen, weil mir das bisher nie gelungen ist. Das entspricht aber auch meinem spontanen Naturell. Grundsätzlich versuche ich, meine Arbeitstage – zumindest von Woche zu Woche – vorzuplanen, bin da aber eher „semi-strukturiert“. Das hat aber den Vorteil, dass ich mich – zumindest subjektiv – flexibler fühle, auch im Sinne der Klient:innen-Arbeit, allerdings hat es den Nachteil, dass ich halt oft spontan umplane. Für mich persönlich ist das gut zu handhaben, ich muss aber dazu sagen, dass ich keine Kinder und Versorgungspflichten habe.
Warum hast du dich für NEUSTART als Arbeitgeber entschieden?
NEUSTART habe ich mir damals eigentlich gar nicht ausgesucht. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, NEUSTART und ich haben uns zufällig gefunden.
Ich habe keine klassische Ausbildung als Sozialarbeiterin absolviert, sondern habe – nach der HAK-Matura – Pädagogik mit Schwerpunkt Sozialpädagogik studiert. Damals war es fast unmöglich, nach dem Studienabschluss in Graz eine Arbeitsstelle im Sozialbereich zu finden, da bevorzugt Absolvent:innen der damaligen „SOZAK“ eingestellt wurden. Eine Stellenanzeige von NEUSTART in der Obersteiermark fiel mir dann zufällig ins Auge und ich habe mich einfach „ins Blaue“ beworben. Ich wollte meinen Berufseinstieg eigentlich als Sprungbrett in eine andere Tätigkeit nutzen, bin aber geblieben, weil mir die Arbeit nach wie vor sehr gut gefällt.
Was gefällt dir an deiner Arbeit am besten?
Mir gefällt die große Bandbreite an Möglichkeiten, die man innerhalb der Organisation hat. Ich hatte in den vergangenen 20 Jahren Gelegenheit, mich in allen Leistungsbereichen auszuprobieren. Ich war im Tatausgleich (um festzustellen, dass das nicht meine Stärke ist), habe die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen kennengelernt, Prozessbegleitung gemacht und war viele Jahre im Bereich Anti-Gewalt-Training und der Projektgruppe für die Sozialnetzkonferenz tätig. Für mich war es immer sehr motivierend, neue Leistungsbereich kennenlernen zu dürfen. Dabei habe ich immer viel gelernt. Abgesehen davon ist mir mein Kern-Arbeitsbereich, die Bewährungshilfe, am liebsten. Es gibt kaum eine Tätigkeit im sozialen Bereich, die sich so vielfältig gestaltet, die alle Lebensbereiche der Klient:innen so umfassend im Blick hat und die so vielschichtig, und damit auch herausfordernd, ist.
Was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?
Wir müssen uns auf viele verschiedene Menschen, mit oft unterschiedlichen Aufträgen, einstellen können und das auch für uns selbst unter einen Hut bringen. Unsere Klient:innen sind enorm divers, vielschichtig, unterschiedlich, … Wir müssen sehr sensibel auf sie eingehen, damit unsere Arbeit ihre Wirkung entfalten kann. Das allgemeine gesellschaftliche Unverständnis für unsere Arbeit erschwert den Job zusätzlich.
Wo hast du gesehen, dass deine Arbeit etwas bewirkt?
Wenn die Leute am Ende der Betreuung „danke“ sagen und sie die Möglichkeiten, die sie im Rahmen der Betreuung hatten, genutzt und geschätzt haben. Wenn sie meine Unterstützung annehmen, sich öffnen und ihre Schwierigkeiten besprechen können und ganz besonders, wenn im Zuge der Deliktverarbeitung Erkenntnisse, Ideen und Handlungsalternativen artikuliert werden, die echt sind und nicht nur erfunden werden, weil ich sie hören möchte. Aber auch bei den „Verweiger:innen“, die sich zum Abschied nicht bedanken, stelle ich oft fest, dass doch etwas „hängen geblieben“ ist, dass Wege in eine andere Richtung eröffnet werden konnten.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job?
Mein Partner und ich führen nebenberuflich eine kleine Tauchschule in der Steiermark. Das heißt, mein Ausgleich zur Arbeit ist andere Arbeit (lacht). Tauchen ist unser gesamter Lebensinhalt. Es macht mir große Freude, dass auch viele meiner Kolleg:innen schon bei uns das Tauchen erlernt haben oder gerade dabei sind das zu tun. Aus beruflichen Bekanntschaften sind auf diesem Weg inzwischen viele Freundschaften entstanden.