Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Ich bin die Nina, bin 30 Jahre alt und ehrenamtliche Bewährungshelferin in der Stadt Graz – noch ganz frisch (lacht), seit März 2023.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Das ist eine gute Frage. Ich wollte eigentlich immer Soziale Arbeit studieren, es wurde dann aber doch Jus. Ich bin seit vielen Jahren im Bereich Strafrecht an der Uni tätig, liebe es aber auch mit Menschen zu arbeiten, deshalb ist das Ehrenamt die perfekte Ergänzung für mich.
Was genau machst du hauptberuflich an der Uni Graz?
Ich baue seit ungefähr zwei Jahren ein Zentrum für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften auf, das ZiK. Hier bauen wir Brücken zwischen dem Recht, der Kriminalistik und der Kriminologie, wo Praxisbezug und Interdisziplinarität großgeschrieben wird. Dabei beschäftigen mich natürlich auch Fragen zu den Ursachen und Möglichkeiten zur Verhinderung von Kriminalität.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Mein Hauptberuf profitiert enorm vom Ehrenamt und den Perspektiven der Bewährungshilfe, eben genau vom notwendigen Bezug zu den Menschen.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Aus meinem beruflichen Umfeld bekomme ich sehr positives Feedback. Diese Menschen kennen die Bewährungshilfe aber bereits. Privat wissen Viele gar nicht, was das genau ist. Wenn ich diesen Menschen das „Warum“ erkläre, sind die Rückmeldungen aber ebenfalls sehr positiv und ich stoße auf großes Interesse.
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Derzeit nur einen, meinen ersten Klienten. Ich bin ja noch relativ neu und war gerade vier Wochen beruflich im Ausland. Im September bekomme ich wahrscheinlich meine:n zweite:n Klient:in. Darauf freue ich mich schon. Ich muss aber auch sagen, dass es für den Einstieg sehr angenehm war, zunächst einmal nur einen Klienten zu haben, um in diese neue Herausforderung zu starten.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Da habe ich wirklich keine Präferenzen. Für mich steht in erster Linie der Mensch im Vordergrund. Delikte ähneln sich vielleicht, die Personen hinter den Täter:innen sind aber individuell.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinem Klienten ab?
Das hat sich tatsächlich schon sehr gut eingespielt. Mein Klient uns ich treffen uns eigentlich immer, schon vor der Arbeit, in einem Café in der Innenstadt. Das passt optimal für uns beide.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Das ist eine super gute Frage, wo es auf die Perspektive ankommt: Für mich persönlich ist es in der Bewährungshilfe derzeit noch ganz klar die Abgrenzung – auch, weil das nun schon ganz neue Erfahrungen für mich sind, die ich so in meinem Hauptberuf an der Uni nicht sammeln konnte. Die Arbeit mit Kolleg:innen und Studierenden unterscheidet sich ja doch um Einiges zur Arbeit mit Straffälligen. Aus gesellschaftlicher und politischer Perspektive braucht es Überzeugungsarbeit, dass höhere Strafen nicht mehr Prävention bedeuten, sondern es sinnvoll ist, sich in der Bewährungshilfe die Menschen hinter den Straftaten anzuschauen.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Das merke ich bei meinem ersten Klienten schon nach dieser kurzen Zeit total. Ich habe aber das Glück, dass er ein sehr reflektierter Mensch ist, der von sich aus viel Feedback gibt und wo die „klassischen“ sozialarbeiterischen Bedürfnisse – Wohnung und Job – abgedeckt sind. Ein „einfacher“ Klient für den Anfang. Er berichtet mir immer wieder von Situationen, in denen er geschafft hat, sich anders zu verhalten und ist ehrlich bemüht. Es hat sich wirklich schon viel bewegt bei ihm.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Ich mache sehr viel Sport und reise viel und gerne. Am liebsten möchte ich überall einmal gewesen sein. Ich fahre selten zweimal an denselben Ort. Das Kennenlernen von anderen Kulturen und Ländern ist für mich der perfekte Ausgleich zum Beruf.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Meinen haupt- und ehrenamtlichen Kolleg:innen möchte ich „Danke“ dafür sagen, dass sie sich mit so viel Herz engagieren. Allen Skeptiker:innen möchte ich sagen, dass Prävention nur funktionieren kann, wenn man sich mit Menschen und ihren Biographien und Bedürfnissen auseinandersetzt. Um es mit den Worten von Bryan Stevenson zu sagen: „Each of us is more than the worst thing we’ve ever done.“