Bitte stell dich kurz vor
Mein Name ist Nadja Guerrero, ich bin 51 Jahre alt und lebe in Graz.
In welcher NEUSTART Einrichtung und welchem Bereich arbeitest Du?
Ich arbeite bei NEUSTART Graz und zu meinen Arbeitsbereichen gehören die Bewährungshilfe, der elektronisch überwachter Hausarrest, Dialog statt Hass sowie die Gewaltpräventionsberatung. Und ich leite mit meiner lieben Kollegin Susi gemeinsam ein ehrenamtliches Team.
Warum hast du dich für NEUSTART als Arbeitgeber entschieden?
Ich habe während meines Studiums zwei Praktika in der Bewährungshilfe gemacht und gewusst, dass Bewährungshelferin zu sein meine Berufung ist. Für mich gibt es keinen besseren Job. Ich hatte großes Glück, dass meine Kollegin Judith damals schwanger wurde und ich gleich nach Abschluss meines Studiums als Karenzvertretung in der „Hülf“ beginnen konnte.
Seit wann bist du bei NEUSTART? Was waren deine vorherigen beruflichen Stationen?
1995 habe ich als ehrenamtliche Bewährungshelferin in der Dienststelle Graz/Außenstelle Ost begonnen. Im August 1996 wurde ich hauptamtliche Bewährungshelferin und war Vertragsbedienstete beim Bundesministerium für Justiz. In einer Mitarbeiter:innenabstimmung wurde 1998 beschlossen, dass die Bewährungshilfe in der Steiermark 1999 vom Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit (Anmerkung: der inzwischen NEUSTART heißt) übernommen wird. Seitdem bin ich ein Teil von NEUSTART.
Eines deiner Aufgabengebiete ist unser Angebot „Dialog statt Hass“. Was passiert bei dieser Dienstleistung und warum wurde sie entwickelt?
Dialog statt Hass begann als Modellversuch im Jahr 2018 und wurde 2019 in den Regelbetrieb übernommen. Die Dienstleistung wurde entwickelt, um der Verhetzung und diskriminierenden Äußerungen in den Social Media entgegen zu treten. Klient:innen setzen sich auf theoretischer und persönlicher Ebene mit dem Thema Diskriminierung auseinander. Es geht nicht darum, die Meinung unserer Klient:innen zu ändern, sondern diese zu sensibilisieren in Bezug auf das Thema Meinungsäußerung. Meine Kolleg:innen und ich haben uns mit den Klient:innen, sowohl im Einzelsetting als auch in Gruppen, mit diesem Thema auseinander gesetzt. Themenschwerpunkte sind: Normverdeutlichung, Medienkompetenz, Diskurskompetenz und der Perspektivenwechsel, die Opferempathie.
Welche Klient:innen werden zu „Dialog statt Hass“ zugewiesen? Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Welche Delikte haben sie begangen?
In den ersten Jahren wurden noch sehr viele Klient:innen nach dem Paragraphen der Verhetzung zugewiesen. Die meisten Zuweisungen umfassten damals die Altersgruppen zwischen 50 und 70 Jahren. Langsam haben dann immer mehr Zuweisungen nach dem Verbotsgesetz Einzug gehalten. Diese machen mittlerweile den Größenteil aus. Vom Alter her sind hier viele Jugendliche und junge Erwachsene anzutreffen aber auch Erwachsene mittleren Alters.
Generell ist Hass im Netz ein Thema, das viele Social Media Nutzer:innen früher oder später in irgendeiner Form betrifft. Welche Tipps hast du für den Umgang mit sozialen Onlinemedien?
Jede:r sollte kritisch hinterfragen, wenn sie:er etwas liest und den Wahrheitsgehalt der Informationen auf alternativen Seiten überprüfen, beziehungsweise auch analoge Medien nutzen. Uns werden durch Algorithmen ausgewählte Themen angezeigt, die uns interessieren könnten. Darum ist es wichtig, dass wir auch anderen Inhalten und Personen folgen, um ein möglich breites Spektrum an Informationen zu erhalten.
Wie intensiv nutzt du selbst Social Media? Hat sich dein eigenes Nutzungsverhalten verändert, seit du „Dialog statt Hass“ durchführst?
Ich nutze Social Media vor allem, um mit meinen Verwandten und Freund:innen rund um die Welt in Verbindung zu bleiben. Ich poste weit weniger als ich dies noch vor ein paar Jahren getan habe.
Was gefällt dir an deiner Arbeit am besten?
Am besten gefällt mir, dass ich so viele interessante Menschen kennenlernen und diese ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten darf. Weiters gefällt mir, dass ich in verschiedenen Leistungsbereichen arbeiten kann.
Was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?
Wir arbeiten mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen, die vielfältige Wünsche und Erwartungen an uns haben. Es bedarf oftmals eines großen Spagates, um unsere Vorgaben und die an uns gerichteten Erwartungen und Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Das gelingt nicht immer. Wir müssen uns mit viel „Gespür“ auf unsere Klient:innen einlassen können, um sie gut unterstützen zu können. Die Organisation von Klient:innen Terminen, Teamsitzungen und Verwaltungstätigkeiten bedarf ein sehr hohes Maß an Flexibilität.
Wo hast du gesehen, dass deine Arbeit etwas bewirkt?
Wenn Klient:innen ihre Ziele erreichen und es ihnen gelingt, ihr Leben so zu führen wie sie sich es vorgenommen haben. Wenn sie Unterstützung annehmen können und soweit Vertrauen gefasst haben, dass es ihnen auch möglich ist, für sie schwierige Themen anzuschneiden. Wenn es möglich war, gemeinsam Handlungsalternativen zu erarbeiten. Ich freue mich immer sehr, wenn mich ehemalige Klient:innen Jahre später auf der Straße ansprechen oder mich anrufen und mir von ihren Erfolgen berichten.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job?
Ich habe im Juli 2023 den Tauchschein gemacht und gehe mit meinem Mann, aber auch mit meinen Kolleginnen, gerne tauchen. Außerdem lese ich sehr gerne, höre gerne Musik und reise auch sehr gerne. Ich treffe mich sehr gerne mit Freund:innen.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit deinen Kolleg:innen teilen möchtest?
Ich finde es sehr wichtig, dass wir in unserer Arbeit immer authentisch bleiben. Ein wertschätzender Umgang miteinander erleichtert so manches.