#TeamNEUSTART: Monika Friedl

Die begnadete Wuzzlerin Monika Friedl ist in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und damit schon in „zweiter Generation“ Bewährungshelferin…

Bitte stell dich kurz vor.
Ich bin 50 Jahre alt und wohne in Altlengbach, einem netten Ort zwischen St. Pölten und Wien, bin verheiratet, habe drei Kinder und ein Enkelkind.

In welcher NEUSTART Einrichtung und welchem Bereich arbeitest Du?
Bei NEUSTART Niederösterreich und Burgenland in St. Pölten. Ursprünglich habe ich in der Haftentlassenenhilfe in Krems begonnen, dann ist der Tatausgleich dazugekommen. Inzwischen arbeite ich viel und gerne in der Vermittlung gemeinnütziger Leistungen, das ist mein Steckenpferd. Außerdem mache ich Gewaltpräventionsberatung und Bewährungshilfe. Zu Weihnachten kommt alljährlich mein eigener zusätzlicher „Leistungsbereich“ dazu (lacht) – die Weihnachtspackerlaktion, die mir sehr am Herzen liegt.

Seit wann bist du bei NEUSTART?
Seit 18.9.1995. Damals habe ich in der Haftentlassenenhilfe in Krems begonnen. Das war fast ein bisschen skurril, ich hatte die ersten paar Wochen nicht einmal einen Schreibtischsessel. Also es war wirklich alles anders als heute.

Du bist sogar schon in „zweiter Generation“ Bewährungshelferin. Was hat es damit auf sich?
Also, mein Vater war im zweiten Bildungsweg Bewährungshelfer, das war eine eigene Ausbildung damals, für die man kein:e Sozialarbeiter:in sein musste. Er ist über Franz Steiner dazugekommen, als meine Eltern nach St. Pölten gezogen sind, einem seiner wichtigsten Freunde und Kollegen. Mein Vater wurde sogar von Karl Rottenschlager, dem Gründer der Emmaus Gemeinschaft, in einem Buch erwähnt, darauf bin ich immer noch etwas stolz. Besonders schön finde ich, dass ich nicht die einzige in unserem Team bin, die schon in „zweiter Generation“ dabei ist – auch Josefine Liebe und Daniel Smolinski kennen NEUSTART schon von ihren Eltern. Wir finden das alle drei voll super!

Wie hat dir dein Vater in deiner Kindheit erklärt, was er als Bewährungshelfer eigentlich macht? Beziehungsweise, wie würdest du selbst deine Tätigkeit heute kindgerecht erklären?
(Überlegt)… Also inzwischen ist die Erinnerung schon etwas verblasst. Ich erinnere mich aber, dass er immer betont hat, dass er Menschen hilft. Dass er Menschen hilft, wieder auf „den richtigen Weg“ zu finden. Ganz deutlich erinnere ich mich an seine alte Tuchtafel, so etwas gibt es heutzutage ja gar nicht mehr, also eine mit Stoff bezogene Tafel, auf der man Formen aus Klettverschluss befestigen konnte. Später durfte ich mir diese Tafel sogar ausleihen. Jedenfalls hat er damit Referate gehalten, ich glaube für ehrenamtliche Bewährungshelfer:innen, wo er unter anderem zwei Wege aufgezeigt hat. Ich sehe noch ganz deutlich die Klettverschluss-Formen vor mir, die er dafür selbst gemacht hat, z.B. eine Spritze, die das Thema Sucht symbolisierte, oder das Paragrafenzeichen, das ich deshalb schon seit frühester Kindheit kenne. Er hat mich sogar ab und zu auf Außendienst mitgenommen – ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt erzählen darf (lacht). Es war so, dass er als Beamter auch am Samstag alle 14 Tage Außendienst machen musste. Er hat das so gestaltet, dass er seine Runde am Freitag begonnen hat und wir dann bei meiner Oma in Böhlerwerk übernachtet haben, bevor er am Samstag die Runde abgeschlossen hat. Dabei durfte ich ihn begleiten und konnte so meine Oma regelmäßig sehen. Teilweise habe ich während seiner Termine im Auto gewartet, manchmal durfte ich aber auch mit hineinkommen und habe zum Beispiel mit einer Bauernfamilie Krapfen gegessen, während er mit seinem Probanden – das war damals die Bezeichnung für unsere Klient:innen – gesprochen hat. Einmal, daran erinnere ich mich ganz genau, habe ich bei so einer Gelegenheit ein ganzes Teller Ildefonso aufgegessen, dafür hat sich mein Vater dann geniert (lacht). Das Festnetztelefon ist auch so eine intensive Erinnerung. Ich weiß noch ganz genau, dass es in meinem Elternhaus oft in der Nacht geläutet hat und mein Vater dann „ausrücken“ musste. Zum Beispiel, weil die Polizei wegen eines Probanden angerufen hat. Manchmal waren die Probanden auch bei uns zuhause, was heutzutage auch ein absolutes No Go ist. Auch mit ehemaligen Probanden hat er teilweise noch den Kontakt gepflegt. Ich weiß noch, dass ich mir oft gedacht habe: „Ja, mein Vater ist ein netter Mensch“. Mein Vater war auch der inoffizielle „Journaldienst“ für die Leute im Ort, die sich mit verschiedenen Fragen an ihn wenden konnten.

Und wie fandest du das als Kind? Erinnerst du dich noch, welche Gefühle der Beruf deines Vaters bei dir ausgelöst hat?
Für mich war das eigentlich ganz normal. Ich habe aber schon gemerkt, dass meine Mitschüler:innen diesen Beruf so nicht kennen. Bewährungshelfer war – und ist glaube ich noch immer – ein Beruf, den man erklären muss, im Gegensatz zum Beispiel zu Tischler oder Friseur. Aber auch dieses Erklären war für mich normal, damit bin ich aufgewachsen. Meine Mutter war als Krankenschwester ebenfalls in einem helfenden Beruf, für mich war das also wirklich Alltag.

Wie hat dich das bei der eigenen Berufswahl beeinflusst? Wusstest du schon immer, dass du in die „Fußstapfen“ deines Vaters treten möchtest? Wann und warum hast du dich dafür entschieden?
Ja, für mich war das immer schon klar. Als Schülerin in der Oberstufe habe ich mir meinen Berufswunsch aber noch einmal „bestätigen“ lassen und ein Berufsfindungsseminar beim WIFI gemacht – zufällig bei meiner damals zukünftigen Vorgesetzten, die dort als Psychologin beschäftigt war.

Was hat dein Vater zu deiner Berufswahl gesagt?
Er hat sich voll gefreut und war sehr stolz auf mich. Ich bin als jüngstes von vier Kindern aufgewachsen und wir beide waren uns überhaupt – trotz aller Konflikte, die das Aufwachsen mit sich bringt – immer sehr nahe. Ich würde sagen, wir waren gegenseitig stolz auf einander.

Meinst du, dass du durch deine frühe Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Straffälligkeit und Soziale Arbeit eine andere – vielleicht realistischere – Perspektive auf den Beruf hattest als etwa deine Studienkolleg:innen?
Das kann schon sein, wobei ich mit Abstand die jüngste in meinem Studiengang war. Meine Mitstudierenden brachten schon mehr Lebenserfahrung mit und hatten deshalb sicher auch schon ein sehr realistisches Bild von unserem Beruf.

Du hast durch deinen Vater viele organisatorische aber auch methodische Entwicklungen bei NEUSTART mitbekommen, bevor du selbst hier zu arbeiten begonnen hast. Wie unterscheidet sich die heutige Betreuung von der damaligen?
Da fallen mir gleich die „gelben Zettel“ ein, die handschriftlichen Vorläufer unserer heutigen DOKU (Anmerkung: internes Dokumentationssystem). Ein Riesenunterschied zu heute. Mein Vater und ich haben auch noch einige Jahre miteinander gearbeitet; das war dann manchmal schon komisch, wenn er z.B. in Vertretung meine Reiserechnungen kontrollieren musste.

Was hätte NEUSTART aus der aktiven Zeit deines Vaters gerne in die Gegenwart mitnehmen dürfen und was findest du, umgekehrt, heute besser?
Ich glaube, damals hatte man mehr Zeit für die Klient:innen und weniger Klient:innen pro Kopf. Ich hatte zu Beginn noch Zeit, mit Klient:innen wandern zu gehen oder gemeinsam Besorgungen zu machen. Zum Beispiel mit einem Haftentlassenenhilfe-Klienten einkaufen zu gehen, damit er Gewand für seinen Entzug hat. Das würde ich heute nicht mehr schaffen. Heute finde ich die DOKU besser. Ich sehe diese Entwicklung wirklich positiv. Eine gewisse Kontrolle ist schon ok und Struktur einfach wichtig. Man kann damit Dinge auswerten, Statistiken erstellen und es ist insgesamt viel transparenter geworden – auch im Home Office. Die Vorgesetzten müssen nicht mehr irgendwelche „gelben Zettel“ kontrollieren.

Was gefällt dir generell an deiner Arbeit am besten?
Mir taugt die Arbeit mit Menschen, mit ihren Lebensgeschichten und -umständen. Außerdem mag ich die Kombination aus Freiheit, Regeln und Struktur. Ich mag und brauche klare Regeln, schätze aber auch die Freiheit, die wir innerhalb unserer Strukturen haben. Wir können uns die Arbeitszeit frei einteilen und auch die Arbeit mit den Klient:innen individuell gestalten. Was mir am meisten Spaß macht, ist aber eigentlich das Wuzzeln (lacht). Ich habe 1996 einen Tischfußballtisch für unser Büro gekauft und liebe es immer noch, mit den Klient:innen zu spielen. Dabei komme ich, gerade mit den jüngeren Klient:innen, super ins Gespräch. Die wundern sich dann, dass ich das so gut kann und gegen sie gewinne. Der Tisch hat damals 4.999,- Schilling gekostet. Ich habe ihn über eine Kleinanzeige in der Zeitung gefunden und für den damaligen Clubbetrieb in Krems gekauft.

Was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?
Zeit. Ich habe immer zu wenig Zeit. Vielleicht ist das aber auch mein persönliches Lebensthema (lacht). Auch das Loslassen fällt mir manchmal schwer, also mir die Arbeit nicht in den Urlaub oder Krankenstand „mitzunehmen“.

Wo hast du gesehen, dass deine Arbeit etwas bewirkt?
Das ist finde ich die schwierigste Frage. In der Bewährungshilfe merke ich es, wenn die Klient:innen den Kontakt mit mir halten. In der Gewaltpräventionsberatung, wenn sie mir sagen, dass sie froh sind, hier gewesen zu sein und dass sie die gemeinsamen Stunden weitergebracht haben. Bei der Vermittlung gemeinnütziger Leistungen, wenn es meine – oft jungen – Klient:innen schaffen, die „Sozialstunden“ zu erbringen und ich mit einem positiven Bericht abschließen kann. Da bin ich sehr dahinter und gebe oft viel mehr, als „Dienst nach Vorschrift“ wäre, weil ich wirklich will, dass es diese Jugendlichen schaffen, dass sie es hinbekommen. Das ist mir ganz wichtig.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job?
Ich habe viele Hobbies, zu viele vielleicht (lacht). Allen voran die Musik. Ich singe im Chor, spiele Saxophon, Gitarre und Flöte. Außerdem bin ich gerne in der Natur, verbringe Zeit mit meiner Familie und interessiere mich sehr für Kultur. Was das angeht, wohnen wir in einer sehr praktischen Lage zwischen St. Pölten und Wien. Wir besuchen zum Beispiel gerne die Volksoper und die Staatsoper aber auch die Kultureinrichtungen in St. Pölten nutzen wir viel und gerne. Ganz wichtig sind mir auch unser Garten und unsere Tiere – wir haben Hühner, Enten, Hasen und Wachteln.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit deinen Kolleg:innen teilen möchtest?
Das erste, das mir da in den Sinn kommt, ist die Frage wie wir die Schlagworte „Toleranz“ und „Respekt“ konkret leben. Das ist nämlich gar nicht so leicht. Wirklich zu respektieren, statt zu urteilen, wenn jemand ein völlig anderes Leben lebt, ist nicht selbstverständlich. Das beschäftigt mich momentan sehr und ich finde es einfach einen interessanten Gedanken, einmal hinzuschauen und zu hinterfragen, wo und warum die eigene Toleranz endet.

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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