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#TeamNEUSTART: Markus Zauner

Markus Zauner ist auch im Hauptberuf Sozialarbeiter. An seiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei NEUSTART Wien schätzt er besonders, dass er hautnah miterleben darf, wie positiv sich seine Klient:innen im Lauf der Zeit entwickeln…

Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtlicher Bewährungshelfer?
Mein Name ist Markus Zauner, ich wurde 1989 in Schärding am Inn in Oberösterreich geboren und bin seit 2021 als ehrenamtlicher Bewährungshelfer bei NEUSTART Wien im Einsatz.

Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Der Bereich der Straffälligenhilfe hat mich schon während meiner Studienzeit fasziniert und auch eines meiner FH-Praktika habe ich damals bewusst in einem forensischen Klinikum absolviert. Meine ersten beruflichen Schritte führten mich dann, jedoch eher zufällig, in den Bereich der stationären Sozialpädagogik. Im Verlauf meiner Karriere durfte ich aber immer wieder mit Bewährungshelfer:innen zusammenarbeiten, um gemeinsame Klient:innen zu unterstützen – bis dann irgendwann der Gedanke in mir keimte, mich doch auch selbst ehrenamtlich bei NEUSTART zu engagieren.
Seither gefällt es mir besonders, dass ich meine Klient:innen in der Bewährungshilfe meist über mehrere Jahre hinweg begleiten kann und dabei hautnah miterleben darf, welche positiven Veränderungen im Laufe der Zeit möglich sind, wenn es beiden Seiten gelingt, eine professionelle Arbeitsbeziehung zu knüpfen. Außerdem motiviert mich, dass ich mit meinem Ehrenamt ganz konkret zu einer sichereren und sozial gerechteren Gesellschaft beitrage, die sich ernsthaft mit den Hintergründen von Delinquenz beschäftigt und Menschen eine zweite Chance zugesteht.

Und was machst du hauptberuflich?
In meinem Hauptberuf bin ich als Sozialarbeiter in einer ambulanten Suchtberatungsstelle tätig, wo ich Betroffene, Angehörige sowie Multiplikator:innen bei der Bewältigung von substanzgebundenen oder auch verhaltensbezogenen Abhängigkeitserkrankungen unterstütze.
Nebenbei arbeite ich freiberuflich als Trainer in der (außer-)schulischen Jugendarbeit. In dieser Funktion besuche ich Schulen oder Jugendzentren und spreche dort mit Jugendlichen über Themen wie z.B. Finanzbildung, Geschlechtergerechtigkeit oder psychische Gesundheit – und versuche auf diese Weise, soziale Problemlagen zu verhindern, bevor sie überhaupt entstehen.

Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Ganz klar: Die unterschiedlichen Erfahrungs- und Wissensschätze aus den jeweiligen Arbeitsbereichen stellen auf beiden Seiten einen absoluten Gewinn dar und greifen immer wieder sinnstiftend ineinander. Als Sozialarbeiter im Suchthilfesystem profitiere ich sehr davon, durch das Ehrenamt mittlerweile besser zu wissen, wie die österreichische Strafjustiz funktioniert und welche Dienstleistungen im NEUSTART Kosmos verfügbar sind. So konnte ich zuletzt einen meiner Suchtberatungsklienten, anstelle einer Gefängnisstrafe, in den elektronisch überwachten Hausarrest vermitteln, da ich davon überzeugt bin, dass er in diesem Setting eine bessere Chance auf eine nachhaltige Rehabilitation seiner Abhängigkeitserkrankung hat.

Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtlicher Bewährungshelfer bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Von Anerkennung, Lob und Bewunderung bis hin zu Skepsis, Sicherheitsbedenken und klarer Ablehnung ist mir bisher – je nach sozialer Bubble – schon einiges an interessantem Feedback zu Ohren gekommen.
Doch auch negativen Reaktionen kann ich etwas abgewinnen, da sie mich stets daran erinnern, dass die Stigmatisierung von marginalisierten Personengruppen noch immer sehr ausgeprägt ist. Deswegen sehe ich meine Aufgabe als ehrenamtlicher Bewährungshelfer nicht nur in der Betreuung meiner Klient:innen, sondern auch darin, in meinem unmittelbaren Umfeld sowie in der Öffentlichkeit Awareness zu schaffen und auf gesellschaftliche Risikofaktoren für delinquentes Verhalten aufmerksam zu machen. Alleine der NEUSTART Grundsatz „Wir ächten die Tat, aber achten den Menschen!“ hat mir schon einige gute Gespräche eröffnet.

Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Zur Zeit begleite ich nur zwei Klient:innen. Das liegt daran, dass ich erst vor Kurzem zwei meiner ersten Klient:innen zum erfolgreichen Abschluss ihrer gerichtlich angeordneten Probezeit gratulieren durfte. Üblicherweise betreue ich drei bis vier Klient:innen gleichzeitig.

Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Aufgrund meiner hauptberuflichen Schwerpunktsetzung durfte ich bisher vorrangig Klient:innen betreuen, bei denen ein Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz zur Bewährungsauflage führte. Begleitend waren jedoch auch Delikte wie z.B. Körperverletzung (§ 83 StGB) oder gefährliche Drohung (§ 107 StGB) Themen, die ich mit den Klient:innen gut bearbeiten konnte. In Zukunft würde ich gerne mit Männern* arbeiten, die Delikte im Bereich der partnerschaftlichen Gewalt gesetzt haben, da ich mich intensiv mit Männlichkeitskonzepten fernab von patriarchalen Stereotypen beschäftige und davon überzeugt bin, dass die engagierte Arbeit mit Tätern* einen essentiellen Beitrag zum Schutz von betroffenen Frauen* darstellt.

Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
In meinem Hauptberuf finde ich mich meistens im klassischen Büro-Setting wieder. Deswegen genieße ich es, die Betreuungssituation im Ehrenamt gemeinsam mit meinen Klient:innen sehr individuell gestalten zu können. Wir treffen uns zum Beispiel gerne in den Wiener Parks. Auch Terminen in der Arbeits- oder Wohnumgebung der Klient:innen bin ich offen gegenüber, um ihre Lebenswelten noch besser kennenlernen und verstehen zu können. Treffen in Cafés oder anderen Lokalitäten versuche ich aber zu vermeiden, um ein möglichst vertrauliches Gesprächssetting gewährleisten zu können.

Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen gibt es zuhauf. Manche entspringen den Klient:innen, z.B. innere Widerstände im Angesicht des Zwangskontextes, manche lassen sich auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zurückführen, z.B. massive Arbeitsmarktbenachteiligungen nach einer rechtskräftigen Verurteilung, und wieder andere lassen sich in dem:der Bewährungshelfer:in selbst verorten, z.B. unbewusste Biases und Stereotypisierung. Mein bisher wichtigstes Learning: Ein vermeintlicher „Rückschritt“ kann, sofern er gut aufgearbeitet wird, zu zwei Schritten in eine gute, zukunftsorientierte Richtung transformiert werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei immer wieder die Teamleitung und meine ehrenamtlichen Kolleg:innen, bei denen ich im Bedarfsfall Unterstützung bekomme. Nach einer gemeinsamen Fallbesprechung tun sich oftmals ganz neue Perspektiven und Lösungsansätze auf. Bei dieser Gelegenheit: Ein herzliches Dankeschön an mein gesamtes Team!

Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Manche Betreuungssequenzen erfordern einiges an Geduld und eine konsequente, klare Haltung, bis ein erster, positiver Impact sichtbar wird. Umso eindrucksvoller finde ich, wenn Klient:innen nach einigen Monaten der Zusammenarbeit damit beginnen, sich und ihre Handlungen zu hinterfragen, plötzlich eigene Ziele und Zukunftspläne in die Betreuung einbringen oder zunehmend Verantwortung für ihr gesetztes Delikt übernehmen.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Wer regelmäßig mit Menschen in krisenhaften Lebenssituationen arbeitet, ist gut beraten, sich früh in professioneller Selbstfürsorge zu üben und einen reflektierten Umgang mit Sekundärtraumatisierungen zu entwickeln. Persönlich finde ich den wirkungsvollsten Ausgleich in der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. Deswegen verbringe ich meine Freizeit am liebsten in einem der wunderschönen Programmkinos oder vor einer der vielen Konzertbühnen unserer Bundeshauptstadt – und bin auch seit einigen Jahren selbst in mehreren Wiener Kulturinitiativen aktiv. Wenn ich zusätzliche Tiefenentspannung benötige, treibt es mich in die wärmenden Hände eines Thermalbads und/oder einer Sauna – was ich während meiner Auslandssemester in Finnland und Norwegen kennen- und lieben lernen durfte.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Um mich abschließend kurz zu halten: Die ehrenamtliche Bewährungshilfe bei NEUSTART ist eine absolute Win-Win-Win-Situation – für die Klient:innen, für die Bewährungshelfer:innen und für die österreichische Gesellschaft!

Foto: © Peter Griesser

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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