Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Mein Name ist Katrin Rossmann und ich bin 42 Jahre jung. Mittlerweile bin ich schon seit über acht Jahren in Salzburg und Umgebung als ehrenamtliche Bewährungshelferin tätig.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Bereits während meiner Ausbildung haben mich die Gründe und Auswirkungen delinquenten bzw. straffälligen Verhaltens von Menschen interessiert. Durch mein ehrenamtliches Engagement im Arbeitsfeld der Bewährungshilfe habe ich die Möglichkeit, Menschen aus unterschiedlichen Milieus und Kontexten zu begegnen, ihre Lebenswelt und Lebensentwürfe kennenzulernen und sie auf den Weg in ein straffreies Leben zu begleiten. Besonders beeindruckt bin ich, wenn es gelingt, mit meinen Klient:innen ein vertrauensvolles Verhältnis herzustellen, das die Reflexion von Verhaltensweisen und die gemeinsame Erarbeitung von Zielen ermöglicht. Daran gefällt mir, zu erkennen, wie wirksam und bedeutsam unser Engagement für Menschen ist.
Und was machst du hauptberuflich?
Hauptberuflich bin ich als Mitarbeiterin in Lehre und Forschung in den Studiengängen Soziale Arbeit und Soziale Innovation an der Fachhochschule in Salzburg tätig.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Mein Ehrenamt und mein Hauptberuf ergänzen sich in vielerlei Hinsicht optimal. Zum einen kann ich in Lehre und Forschung auf gewonnene Erfahrungen aus der Begegnung mit unseren Klient:innen sowie Eindrücke aus der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen der sozialen Landschaft zurückgreifen. Zum anderen kann ich das Wissen und die Fähigkeiten aus meiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung direkt in meiner praktischen Arbeit mit den Klient:innen anwenden. Zudem ergeben sich Synergieeffekte, indem sich meine Student:innen für Praktika und/oder die ehrenamtliche Tätigkeit beim Verein NEUSTART interessieren und bewerben.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
In meinem Umfeld ernte ich überwiegend positive und anerkennende Rückmeldungen zu meinem ehrenamtlichen Engagement. Manche Freund:innen äußern sich dazu aber auch kritisch. Sie würden befürchten, in einen moralischen Konflikt zu geraten, wenn sie mit Klient:innen arbeiten müssten, die durch ihr begangenes Delikt anderen Personen geschadet haben. Wenn das mediale Interesse an Straftäter:innen, Gerichtsverhandlungen und Urteilen gerade besonders groß ist, werde ich häufig von meinem Umfeld nach meiner Einschätzung dazu gefragt. Zwar kann ich dann nicht mit einer Expert:innen-Meinung aufwarten, jedoch erlebe ich dadurch spannende und interessante Gespräche und Diskussionen.
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Derzeit sind es fünf Männer zwischen Anfang 20 und beinahe 60 Jahren.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Am liebsten arbeite ich mit Erwachsenen. Bisher waren es ausschließlich Männer. Das liegt vor allem daran, dass ich als Sozialarbeiterin in der Vergangenheit in der Erwachsenenhilfe in männlich dominierten Handlungsfeldern berufliche Erfahrung gesammelt habe und mich mit dieser Zielgruppe am wohlsten fühle. Die Delikte reichen von Drogen-, Gewalt-, Raub- und Diebstahldelikten bis zur Verhetzung und Wiederbetätigung. Das macht die Arbeit vielfältig und spannend.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klienten ab?
Ich habe es mir angewöhnt, die Termine direkt in einem der Büros von NEUSTART anzubieten. In Ausnahmefällen treffe ich mich aber auch in Cafés oder zu Spaziergängen mit meinen Klient:innen. Manchen fällt es in der Bewegung oder andernorts leichter, ins Gespräch zu kommen. Eine typische Betreuungssituation kann ich nicht beschreiben. Im Gegenteil versuche ich ganz individuell auf die Lebenswelt, die Lebenssituation und Bedürfnisse meiner Klient:innen einzugehen. Als typisch würde ich aber den Gegenstand der Betreuung bezeichnen. Im Zentrum stehen hierbei die Deliktbearbeitung, die Reflexion und Aneignung förderlicher Verhaltensweisen sowie die Abklärung und Stabilisierung unterschiedlicher Lebensbereiche, wie beispielsweise die Existenzsicherung, das Wohnen, die Arbeit und soziale Beziehungen. Welche Ressourcen haben Klient:innen, welche können sie aktivieren, um einer erneuten Straffälligkeit vorzubeugen?
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Eine große Herausforderung sehe ich im Zwangskontext. Die Bewährungshilfe wird vom Gericht angeordnet und viele Klient:innen kommen zunächst nicht freiwillig zu den Terminen. Es braucht Zeit, Fingerspitzengefühl und Anreize, damit Klient:innen das nötige Vertrauen und die Motivation entwickeln, um die Vorteile der Bewährungshilfe für sich zu erkennen. Eine weitere Herausforderung sehe ich darin, dass man gelegentlich mit Moral- und Wertvorstellungen von Klient:innen konfrontiert wird, die sich von den eigenen erheblich unterscheiden. Hier braucht es eine unglaublich große Bereitschaft zur Offenheit, Reflexion und Ambiguitätstoleranz. Eine dritte Herausforderung sehe ich darin, einschätzen zu lernen, welche Ziele realistisch sind und im Rahmen der Möglichkeiten von Klient:innen liegen und es auszuhalten, dass Herangehensweisen zur Zielerreichung sehr vielfältig und in unterschiedlichen Tempi gewählt werden.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
In erster Linie merke ich das daran, wenn meine Klient:innen in der Zeit der Bewährung nicht erneut straffällig werden und einige der besprochenen und gesetzten Ziele erreichen. Dazu zählen beispielsweise die Aufnahme einer Arbeitsstelle, der Erhalt des Führerscheins, die erfolgreich abgeschlossene Entwöhnungsbehandlung oder der Aufbau neuer und förderlicher Kontakte. Besonders freut es mich, wenn ich bei Erfolgen und Highlights von Klient:innen kontaktiert werde – das bedeutet für mich, dass sich bereits eine vertrauensvolle Beziehung entwickelt hat.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
In meiner Freizeit verbringe ich viel Zeit mit meinem Lebensgefährten und meinem Sohn. Am liebsten beim Wandern und auf Klettersteigen in den Bergen. Ich lese sehr gerne und viel. Mit der ein oder anderen Reise ins Ausland sorge ich regelmäßig für einen genussvollen Tapetenwechsel und neue Perspektiven auf das Leben und die Welt.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Ich würde mich freuen, wenn sich viele Menschen ehrenamtlich für andere Menschen einsetzen und sie zu einem gelingenden Leben begleiten. Im Ehrenamt sehe ich einen zivilgesellschaftlichen Beitrag, der unsere Gesellschaft ein bedeutendes Stück solidarischer und lebenswerter macht.