Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Mein Name ist Ingrid Seiwald, ich bin 62 Jahre alt und seit fast 20 Jahren ehrenamtliche Bewährungshelferin. Ich bin im Team Tennengau/Salzburg unter der Teamleitung von Robert Wieser.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Ich bin seit fast 30 Jahren als Sozialarbeiterin in der Jugendarbeit und als sozialpädagogische Einzelbetreuerin beschäftigt und habe in meinem Hauptberuf immer wieder mit straffälligen Jugendlichen und Erwachsenen Kontakt. Daher war und ist es für mich sehr wichtig, dass Menschen in Krisen und in Konflikten eine gute Unterstützung und Begleitung erhalten. Es war für mich naheliegend, mich als ehrenamtliche Bewährungshelferin bei NEUSTART zu bewerben, um meinen Klient:innen diese Dienste anbieten zu können. Jede:r Klient:in ist eine neue individuelle Herausforderung. Die vielen unterschiedlichen bewegenden und berührenden Lebensgeschichten, motivieren mich, Lösungen mit diesen Menschen zu erarbeiten.
Und was machst du hauptberuflich?
Wie erwähnt arbeitete ich seit fast 20 Jahren in der offenen Jugendarbeit. In der Folge und laufend seit über zehn Jahren als sozialpädagogische Einzelbetreuerin für die Kinder und Jugendhilfe/Rettet das Kind SELF in Tennengau/Land Salzburg.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
In meinem Hauptberuf bin ich immer wieder in Kontakt mit straffälligen Menschen und meine Tätigkeit in der Bewährungshilfe hat sich damit immer sehr gut vereinbaren lassen. Meine Erfahrung konnte ich in vielen Bereichen sehr gut nutzen und damit meine Klient:innen in vielen Belangen gut unterstützen.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Grundsätzlich glauben Personen aus meinem Umfeld, dass meine Arbeit eine Belastung ist und einige im Bekanntenkreis sind davon überzeugt, sie könnten so ein Ehrenamt nicht ausüben, weil es aus ihrer Sicht nur belastend sein muss. Für mich selbst kann ich nur feststellen, dass ich im Ehrenamt viele positive Erlebnisse und sehr erfüllende Erfolge hatte. Rückblickend konnte ich in meinen bisherigen zwei Jahrzehnten als Ehrenamtliche viele gewinnbringende Erfahrungen machen.
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Derzeit habe ich vier Klienten im Alter von 18 bis 45 Jahren.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Da ich sehr gute Erfahrungen mit der Arbeit mit Jugendlichen habe, liegen mir Jugendliche und junge Erwachsene am meisten. So nach dem Motto, da kann man noch vieles bewirken und ändern. Ich muss feststellen, dass ich oft mit gewalttätigen Menschen, Personen mit Suchtmittelkonsumerkrankungen und schlussendlich mit Menschen, die aus einer Not heraus, zu betrügerischen Handlungen tendieren, arbeite.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Besonders wichtig ist es für mich, eine gute Vertrauensbasis aufzubauen. Das führt oft dazu, dass meine Klient:innen mich als Vertrauensperson wahrnehmen und spontan kontaktieren, wenn sie in einer ausweglosen Situation sind. Ich bin für meine Klienten zur Begleitung und Unterstützung erreichbar. Generell belaufen sich die Termine auf ein bis zweimal monatlich.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Eine Herausforderung sind Menschen mit Suchtverhalten, die nicht adäquat handeln können und sich deshalb im Alltag oft grenzüberschreitend verhalten. Es fordert mich, Menschen dahin zu bewegen, ihre Suchtkrankheit zu erkennen und zu bewältigen. Dazu braucht es den Mut und die Entscheidung, sich therapeutisch helfen zu lassen und die nötige Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Herausfordernd sich auch Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen, die große Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu bewältigen und immer wieder in eine Lethargie zurückfallen. Es verlangt viel an Wertschätzung und Unterstützung ab, diese Menschen zu motivieren, ein Ziel zu finden.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Nach sehr vielen Betreuungen von zahlreichen Klient:innen in meiner langen Tätigkeit als ehrenamtliche Bewährungshelferin, konnte ich sehr oft mit Freude feststellen, dass sich die von mir betreuten Menschen viel für ihr weiteres Leben mitnehmen konnten. Immer wieder treffe ich „alte“ Klient:innen, die mir positive Rückmeldungen darüber geben, wie sich ihr Leben in vielen Bereichen verändert und gebessert hat.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Ein guter Ausgleich zu meinem Beruf ist die Bewegung in der Natur und Tango zu tanzen. Für mein seelisches Wohlbefinden praktiziere ich Qigong. Erholsamer Schlaf und gute Literatur runden das Ganze ab 😊.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Ein Ehrenamt auszuüben und Menschen, denen es in gewissen Lebenslagen nicht gut geht, zu unterstützen ist mir eine Freude und Pflicht. Das hat sich in meinem Leben so sehr bewährt. Ich habe soviel an Anerkennung und Wertschätzung geben dürfen und auch sehr viel an positiven Rückmeldungen und sichtlich erfreulichen Verbesserungen bei Menschen erfahren und sehen dürfen. Mein Fazit war und ist immer noch: Würde jeder Mensch etwas für ihn Mögliches für einen anderen tun, könnte ein guter Ausgleich in unserem Dasein entstehen.