Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtlicher Bewährungshelfer?
Mein Name ist Daniel Novak. Ich engagiere mich seit ungefähr zweieinhalb Jahren bei NEUSTART im Burgenland und wohne in Siegendorf in der Nähe von Eisenstadt. Begonnen habe ich damals parallel zur Corona-Pandemie, was den Anfang ein bisschen erschwert hat, weil man sich ja nicht ohne Weiteres persönlich treffen konnte…
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Weil ich auch im Hauptberuf Sozialarbeiter bin, dort aber keinen Klient:innenkontakt mehr habe. Das fehlt mir in der Praxis ein bisschen, um mich selbst zu fordern. Ich möchte auch auf dieser Ebene sozialarbeiterisch wirken. Am besten gefällt mir, wenn ich gemeinsam mit meinem Gegenüber das Bestmögliche herausholen kann aus seiner oder ihrer Lebenssituation. Da bin ich jedes Mal aufs Neue gefordert, weil jede:r Klient:in andere Lebensumstände und Bedürfnisse hat und nicht jede sozialarbeiterische Intervention gleichermaßen ankommt. Es ist ganz unterschiedlich, wo man bei einem Menschen ansetzen muss, um Ziele zu erreichen. Das Hauptziel ist ein straffreies Leben – natürlich – aber auch die persönlichen Ziele der Klient:innen dürfen wir nicht vernachlässigen. Bei NEUSTART genießen wir relativ viel Freiraum – aber auch Verantwortung – in der Gestaltung der Betreuung.
Und was machst du hauptberuflich?
Ich bin leitender Sozialarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe der burgenländischen Landesregierung. In der KJH ist momentan noch mehr Einsatz als sonst gefordert, weil die Zahl der Fälle und deren Komplexität steigt. Wir haben einige neue Bereiche und Projekte, die es umzusetzen gilt und bestehende Angebote werden weiterentwickelt.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Ja, ganz sicher. Das habe ich mir aber auch so vorgestellt. Meine Erfahrungen fließen wechselseitig ein. Ich kenne beide Seiten: die Arbeit mit den Klient:innen und die Strukturen dahinter. Wenn ich mit einem:r Klient:in eine Situation bewältige, weiß ich, welche Vorgaben dafür im Hintergrund notwendig sind. Deshalb tue ich mir auch leicht damit, Dokumentationspflichten nachzuvollziehen – ich verstehe, warum es sie braucht. Im Ehrenamt ist mehr Platz für Kreativität und Individualität, das ist aber auch eine wichtige Ressource für meinen Hauptberuf, wo diese Aspekte kürzer kommen.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtlicher Bewährungshelfer bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Gute Frage. Die meisten finde es super, sind sehr interessiert und haben viele Fragen. Einige sagen aber auch: „Das könnte ich nicht.“ oder: „Ich würde das neben meinem Hauptberuf niemals schaffen.“
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Es sind immer so zwischen drei und vier. Derzeit sind es drei.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Ich arbeite gerne mit einmaligen Handlungen als Delikt – also zum Beispiel mit Handlungen aus dem Affekt, Drohungen, impulsiven Gewalttaten etc. Da gelingt es mir gut, in die Gedankenwelt und das Mindset meiner Klient:innen einzutauchen. Mitunter sind Klient:innen danach schnell einsichtig und gewillt, an einer Verhaltensänderung zu arbeiten. Auf der anderen Seite hatte ich jetzt schon öfter Klienten mit einem Versäumnis von Unterhaltszahlungen, denen die Einsicht, dass sie etwas falsch gemacht haben, komplett fehlt. Da dauert es länger, bis man ins konstruktive Arbeiten am Delikt kommt. Mit diesen Menschen muss ich zuerst an der Verantwortungsübernahme arbeiten und Verständnis dafür schaffen, wofür Unterhaltszahlungen überhaupt verwendet werden etc. Ohne diese Basis wird eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem Delikt nicht gelingen… Aber das sind eben die verschiedenen Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
In 90 Prozent der Fälle treffen wir uns im Büro in Oberpullendorf oder Mattersburg. Zuerst gehen wir durch, ob es Neuigkeiten oder etwas Dringendes gibt, danach widmen wir uns der Deliktverarbeitung und den Ressourcen der Klient:innen. Das ist mir ganz wichtig. Ich bin überhaupt ein Verfechter davon, auf die Stärken der Klient:innen, statt nur auf ihre Probleme zu schauen. Die Fähigkeiten und Ressourcen der Klient:innen zu fördern ist essentiell und stellt ein anderes Arbeiten dar als „Okay, wo ist das nächste Problem?“. Wenn auf die positiven Aspekte und ihre Kompetenzen aufgebaut wird, hilft das in der Deliktverarbeitung ebenso. Außerdem sind manche Klient:innen dann schneller „compliant“, die Bewährungshilfe und die Termine anzunehmen.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Für mich persönlich ist die größte Herausforderung – und das gilt finde ich für jede berufliche Tätigkeit in der Sozialarbeit – die richtige Balance aus persönlichem Engagement und professioneller Distanz, den richtigen Grad an Einsatz, zu finden. Die Professionalität zu wahren und trotzdem persönlich engagiert zu sein. Wenn ich jemandem helfen WILL, bin ich noch mehr gewillt, kreativ über das WIE nachzudenken.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Es freut mich immer, wenn ich merke, dass KlientInnen Herausforderungen in ihrem Leben proaktiv angehen und bemüht sind, Lösungen zu finden. Wenn sie ein realistisches Weltbild haben und sich ihrer Stärken bewusst sind.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Schwer zu sagen, weil neben meinem Hauptberuf und dem Ehrenamt nur wenig Zeit bleibt. Es hilft mir sehr, außerhalb grundsätzlich nur über ganz andere Dinge zu reden. Privat rede ich tatsächlich kaum über meine Arbeit. Außerdem interessiere ich mich sehr für Tennis. Ich spiele selbst und verfolge den Profisport intensiv.
Was ich in Anspruch nehme ist Supervision – immer schon, unabhängig von meinem Job. Dort gibt es Raum, um Privates und Berufliches zu besprechen und ich komme raus aus diesem „Tunnelblick“, bekomme neue Ideen und Sichtweisen. Diese externen Inputs helfen mir, um professionell mit diversen Arbeitssituationen umzugehen und meine Herangehensweise weiterzuentwickeln.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Im Moment ist Sozialarbeit wahrscheinlich wichtiger als je zuvor. Wir tragen künftig noch mehr Verantwortung, da wir in gewisser Weise den Krisen in der Gesellschaft, die wohl nicht weniger werden, entgegenwirken können. Da können Sozialarbeiter:innen viel bewirken und in einigen Fällen einen Unterschied machen.