Gesundheitsminister Johannes Rauch äußerte sich am 05.08.2022 angesichts eines erneuten Falles von häuslicher Gewalt mit Tötung von Frau und Kind energisch zu dem dahinterstehenden patriarchalen Männlichkeitsbild. Einer seine Sätze war: „Vor allem Männer sind aufgerufen, aktiv Verantwortung zu übernehmen und einzuschreiten, sobald sie Zeugen von Gewalt werden. Männer haben nicht das Recht über das Leben einer Frau zu entscheiden.“
Am nächsten Tag in dem von mir genutzten Fitnessstudio
Ich unterhalte mich in den Pausen mit einem Mann, den ich schon seit Jahren vom Training kenne. Nicht befreundet, aber man spricht immer wieder auch mal Themen abseits vom üblichen Smalltalk an. Bisher hatte ich den Eindruck einer freundlichen und aufgeschlossenen Person, aber diesmal kam man auf das Thema Beziehungen.
„Das Geheimnis meiner Beziehung ist, dass ich ihr verboten habe abends mit Freundinnen wegzugehen. Du weißt ja, wie es dann läuft. Die Frauen ziehen herum, trinken was und dann kommt ein Mann dazu und macht ihnen schöne Augen. Und schon betrügen sie dich. So kann ich dies gut verhindern. Und wenn ihr die Freundinnen Flausen in den Kopf setzen, müsste ich sie halt dazu zwingen ihre Meinung zu ändern.“
Ich bin wie vor den Kopf gestoßen, mit so einer Aussage hatte ich nicht gerechnet. Zwei andere Männer daneben stimmten zwischenzeitlich dem Genannten süffisant lachend zu. Da ich nicht sofort reagiere, spricht er mich wieder an und sucht Bestätigung. „Du wirst schon sehen, wenn du eine Frau hast wirst du es auch so machen“.
Ich erkläre ihm, dass ich bereits seit langem in einer Beziehung bin und meine Partnerin in keiner Weise überhaupt mit mir abklären muss, ob sie etwas mit Freundinnen unternimmt. Generell wäre es für mich nicht vorstellbar zu bestimmen, was eine Partnerin darf und was nicht. Dies ist für mich ein Zeichen von Unsicherheit und Schwäche.
Momentane Stille. Die beiden vorher zustimmenden Zuhörer drehen sich irritiert wirkend weg und trainieren weiter. Er selbst bleibt vor mir stehen. Leise redet er weiter.
„Aber wie kann ich mir sicher sein, dass sie bei mir bleibt, wie kann ich mich sicher fühlen?“
Wir reden noch eine Zeitlang weiter, er erzählt ein bisschen was von seinem Vater und seiner Kindheit, dann trainiert er wieder, er verabschiedet sich noch wie sonst höflich, als er vor mir fertig ist und geht.
Gespräche wie dieses kenne ich aus der Praxis der Arbeit mit häuslichen Gewalttätern im beruflichen Setting bei NEUSTART schon seit vielen Jahren.
Aber man darf nicht nur auf jene fokussieren, die bereits wegen Gewalt verurteilt worden sind. Die Gewaltpräventionsberatung bei einem Betretungs- und Annäherungsverbot war hier ein wichtiger weiterer Schritt.
Im Besonderen liegt es aber an uns Männern auch im Alltag Stellung zu beziehen und zu handeln.
Es ist vielleicht nicht leicht, sich einem gewissen Gruppendruck zu entziehen, doch es ist unbedingt notwendig klare Grenzen zu setzen, wobei der Dialog aufrechterhalten werden muss. Nach meiner privaten sowie beruflichen Erfahrung ist nach einer Grenzsetzung, bzw. klaren Positionierung, ein konstruktiver Dialog in den meisten Fällen möglich.
Ich werde weiterhin das Gespräch mit ihm suchen und beim Thema Männlichkeitsbild und Gewalt dran bleiben, wobei ich optimistisch bin dass er sich dem nicht verschließt. Denn es liegt auch im Alltag an uns Männern, Verantwortung zu übernehmen.