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Faktencheck

Einige schwere Straftaten, die mutmaßlich von unter 14-Jährigen verübt wurden, haben im deutschsprachigen Raum zu einer vermehrten Medienberichterstattung über „Kinderkriminalität“ geführt. Zeit für einen Faktencheck.

Werden unsere Kinder immer Krimineller?

Hintergrund. Einige schwere Straftaten, die mutmaßlich von unter 14-Jährigen verübt wurden, haben im deutschsprachigen Raum zu einer vermehrten Medienberichterstattung über „Kinderkriminalität“ geführt. Ein Blick auf die Zahlen.

Die Anzahl unmündiger Tatverdächtiger ist laut offiziellen Statistiken seit 2013 stark gestiegen.

Berücksichtigt man jedoch die gestiegene Aufklärungsquote, die Änderung der Zählweise und die Bevölkerungsentwicklung, relativiert sich dieses Bild.

Von 2013 bis 2022 ist die Aufklärungsquote um mehr als 20 Prozent gestiegen.

Weiters wurde 2018 die Zählweise von Ein- auf Mehrfachzählung geändert. Deshalb weist die Statistik 2018 um 6,5 % mehr Tatverdächtige aus als bei Einmalzählung.

Die Bevölkerung der 6- bis 13-Jährigen ist zudem von 2013 bis 2022 um vier Prozent gewachsen.

Berücksichtigt man nun diese drei Faktoren, zeigt sich folgendes Bild: 

eine flache Kurve seit 2013, mit nur einem deutlich höheren Wert im Jahr 2022.

Ob das ein statistischer Ausreißer oder der Beginn eines Trends ist, kann jetzt somit noch nicht gesagt werden.

Was ebenfalls Betrachtung verdient: Dunkelfeldstudien in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland zeigen einen klaren Trend zu erhöhter Anzeigebereitschaft.

Das heißt, bei gleichbleibender Kriminalität steigt allein dadurch die Anzahl an Tatverdächtigen. Was früher beispielsweise zwischen betroffenen Familien geregelt wurde, wird jetzt eher angezeigt.

Des Weiteren besitzen Kinder heute häufiger teure Wertgegenstände wie etwa Smartphones, wodurch Vermögensdelikte nun zu mehr Anzeigen führen als früher.

Herabsetzen der Strafmündigkeit als Lösung?


Ist die Herabsetzung der Strafmündigkeit als Reaktion auf diese Veränderung der richtige Weg? Nein. Dieser Ansicht sind auch Jugendrichter:innen. Denn das Strafverfahren ist ein formales Verfahren. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Hintergründen und Lebenssituationen der Kinder kann in diesem Verfahren nicht geleistet werden.

Die richtigen Maßnahmen


Essenziell ist vielmehr, dass in die Kinder- und Jugendhilfe, in die Sozialarbeit und in ein flächendeckendes, leistbares Angebot in der Kinderund Jugendpsychiatrie investiert wird. Prävention ist bei dieser Altersgruppe besonders wichtig – sowohl primäre (bevor ein Delikt gesetzt wurde) als auch sekundäre (danach).

Solche primären Präventionsmaßnahmen könnten etwa Konfliktlösungstrainings oder die Intensivierung der Schulsozialarbeit in allen Schultypen sein. Als sekundäre Maßnahme bietet sich der Ausbau von Angeboten an, die auf die Zielgruppe der Kinder maßgeschneidert sind, wie Konfliktschlichtung, Wiedergutmachung oder Affektkontrolltraining.

Über die/den Autor:in
Thomas Marecek

Thomas Marecek leitet die Kommunikation bei NEUSTART

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