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Ein sicheres Europa ohne Gewalt

Gewaltschutz in Europa: Ob durch die Istanbul-Konvention oder die Arbeit von Netzwerken wie WWPEN – in Europa setzen wir uns für ein gewaltfreies Miteinander ein. Es braucht Zusammenarbeit, klare Standards und innovative Programme, um Gewalt effektiv zu bekämpfen und Betroffene nachhaltig zu schützen.

In der Zivilgesellschaft

WWPEN – Work with Perpetrators European Network nennt sich das europaweite Netzwerk von Partner:innenorganisationen zum Thema Täter- und Täter:innenarbeit. Was alle Organisationen verbindet, ist der Anspruch der opferschutzorientierten Täter- und Täter:innenarbeit. Damit ist gemeint, dass auch in der Arbeit mit Gefährder:innen die Sicherheit, die Unterstützung und die Menschenrechte der gewaltbetroffenen Personen ein vorrangiges Anliegen sind und dass die Arbeit mit Täter:innen gegebenenfalls in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Hilfsdiensten für Gewaltbetroffene ausgearbeitet und umgesetzt werden.

WWPEN arbeitet derzeit an gemeinsamen Standards, die genau diesen Ansatz der Opferschutzorientierung sicherstellen sollen. Jährlich gibt es eine Konferenz mit thematischen Schwerpunkten, 2024 in Berlin widmete sich die Tagung der Gewalt in nicht-heterosexuellen Beziehungen. Der Mythos, dass Gewalt ausschließlich von Männern in heterosexuellen Paarbeziehungen ausgeübt wird, hält sich hartnäckig. Die Thematisierung von Partner:innengewalt in anderen Kontexten ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung zur Enttabuisierung.

Im Europarat - Die Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention („Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“) ist das erste völkerrechtlich verbindliche Instrument zur umfassenden Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen in Europa. Daher sind Staaten, die die Konvention ratifiziert haben, zur Umsetzung verpflichtet. Österreich ratifizierte die Konvention am 14. November 2013.

Die Umsetzung wird regelmäßig überprüft und Österreich hat bei dieser Gelegenheit ein ausgezeichnetes Zeugnis bekommen! So wird von der verantwortlichen Expertinnengruppe des Europarates (GREVIO) festgestellt,

  • dass ein solides System von Behandlungsprogrammen für Täter und Täterinnen häuslicher Gewalt besteht (…).
  • Eine wichtige Maßnahme (…) ist die verpflichtende Teilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung für Täter und Täterinnen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot oder eine einstweilige Verfügung ausgesprochen wurde.“

GREVIO begrüßt im Zusammenhang mit Missbrauchsdarstellungen auch

  • „die Einführung konkreter vorbeugender Interventions- und Behandlungsprogramme für junge Täter und Täterinnen, welche von den Vereinen Neustart (…)“ angeboten werden. Konkret gemeint ist damit unser Programm net§207a – eine Innovation in ganz Europa!

Mehr zur Istanbul-Konvention findet sich bei der Nationalen Koordinierungsstelle „Gewalt gegen Frauen“ in der Fachabteilung für Gewaltprävention und Gewaltschutz im Bundeskanzleramt.

In der Europäischen Union

Auf EU Ebene war lange Zeit kein spezielles Rechtsinstrument zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vorhanden. Erst mit 8.3.2022 (Weltfrauentag!) wurde von der Europäischen Kommission der Entwurf einer Richtlinienverordnung vorgelegt.

Am 13. Juni 2024 sind nunmehr die Vorschriften der EU zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Kraft getreten. Körperliche, psychische, wirtschaftliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen – offline und online – wird in der gesamten EU unter Strafe gestellt. Zudem wird der Zugang der Opfer zur Justiz verbessert.

Neu ist auch die Pönalisierung von

„Cyberflashing“ – also das ungebetene Übermitteln von Bildern, Videos oder ähnlichem Material, das Genitalien zeigt (etwa „dick pics“), sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass der Person schwerer psychischer Schaden zugefügt wird oder

„Deepfakes“ – also die Herstellung, Manipulation oder Veränderung von Bildern, Videos oder vergleichbarem Material, die den Anschein erwecken, dass eine Person eindeutig sexuelle Handlungen vornimmt, und deren anschließende Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit mittels Informations- und Kommunikationstechnologien, ohne Einverständnis der betreffenden Person, sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass der genannten Person schwerer Schaden zugefügt wird.

„Sextortion“ – die Androhung einer Veröffentlichung von intimen Bildern mit dem Ziel, eine Person zu einer bestimmten Handlung zu nötigen oder sie dazu zu bringen, diese zu dulden oder

„Doxxing“ – Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten mittels Informations- und Kommunikationstechnologien, ohne Einverständnis der betreffenden Person, um andere Personen dazu anzustiften, dieser Person physischen oder schweren psychischen Schaden zuzufügen.

Außerdem sollen gezielte Interventionsprogramme eingerichtet werden, um das Risiko von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt oder von Wiederholungsdelikten zu verhindern und zu minimieren.

Wie geht es weiter? – Die EU-Mitgliedstaaten haben bis 14. Juni 2027 Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Viel erreicht, noch viel zu tun – für ein Europa ohne Gewalt!

Über die/den Autor:in

In der Leitung Sozialarbeit zuständig für den Themenkomplex häusliche Gewalt, die Gewaltpräventionsberatung, den elektronisch überwachten Hausarrest, die Prozessbegleitung und den Saftladen.

Nebenberuflich Lektorin an der Sigmund-Freud-Universität und Trainerin, unter anderem in der Fortbildung zur juristischen Prozessbegleitung.
Vor NEUSTART wissenschaftlich und im Opferschutz tätig.

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