Wie hat Sie Ihr beruflicher und privater Weg zu NEUSTART geführt?
Schon als Mittelschüler verstand ich nicht, wie einer der „Bösen“ unter den widrigsten Bedingungen des Gefängnisses ein „Guter“ werden soll. „Sie brauchen uns, wenn sie es am Wenigsten verdienen“ war mein Credo während meiner ganzen Berufskarriere. Dass Begegnung und Beziehung Veränderung schaffen kann, war für mich die berührendste Erfahrung – immer wieder. 25 Jahre in der Betreuungsarbeit (ehrenamtlich und hauptamtlich) und 22 Jahre als Leiter der Kommunikation für NEUSTART ermöglichten es mir, mit aller Kraft für Werte einzustehen, die nicht immer Mainstream waren.
Was bedeutet die Mitgliedschaft bei NEUSTART für Sie persönlich?
Teil einer zivilgesellschaftlichen Organisation von Gleichgesinnten, in derselben Sache engagierten, Menschen zu sein, ist für mich bis heute motivierend auch Widerstände anzugehen. Noch dazu hatte ich das Privileg, für diese Organisation öffentlich aktiv werden zu können, in erfolgreichen aber auch in schwierigen Zeiten. Auch jetzt noch interessiert mich die Arbeit der Kolleg:innen sehr, wenn meine Unterstützung gefragt ist, stehe ich gerne bereit. Die Mitgliedschaft beim Verein bedeutet für mich aber auch Teil einer „Bürger:inneninitiative“ zu sein, die sich als Korrektiv und Ergänzung zur staatlichen Kriminalpoitik versteht.
Welche Anekdote, welches prägende Ereignis verbinden Sie mit NEUSTART?
Als mir einer meiner ersten Klienten die „Helferrolle“ streitig machte und mich beharrlich und ausführlich nach meinem (!?) Wohlergehen und den Plänen für die Zukunft befragte, verstand ich erst nach meiner ersten Verunsicherung, dass er unbewusst probte, was seine eigentlichen Themen waren: Fürsorge und Verantwortung. Er hatte über Jahre sein leibliches, behindertes Kind nicht anerkennen wollen und war deshalb auch in Haft (Unterhaltsschuldner) gewesen. Erst als ich mich auf seine Grundfragen einließ und ihn darin bestärkte, begann er sich langsam Schritt für Schritt auf seine Geschichte und letztlich auch zu einer neuen Beziehung zu seinem Kind einzulassen. Ein einschlägiger Rückfall war dann kein Thema mehr. Die Kraft unserer Klient:innen, sich auf Neues, oft gefährlich Scheinendes einzulassen, wenn man ihnen nur fördernde und fordernde Beziehung anbietet, hat mich immer wieder fasziniert.