Digitale Gewalt spiegelt gesellschaftliche Machtverhältnisse wider, die offline ebenso existieren. Sie funktioniert nicht getrennt von ‚analoger Gewalt‘, sondern stellt oft eine Ergänzung oder Verstärkung von Gewaltverhältnissen dar.
Gewalt als Einschüchterungstaktik
Das Internet und soziale Medien sind niederschwellig zugänglich. Jede:r kann online Inhalte verbreiten und somit Raum einnehmen. Eigentlich. Denn gerade Stimmen von Personen, die sich für Rechte von Frauen und Minderheiten einsetzen, werden oft mit Drohungen und Hasskommentaren überhäuft. Journalistinnen, Politikerinnen, Aktivistinnen oder Influencerinnen werden dabei überproportional häufig angegriffen, weil sie sich gegen patriarchale Strukturen äußern oder einfach sichtbar sind.
Diese Angriffe sollen einschüchtern und sie aus der digitalen Öffentlichkeit verdrängen. Sie können massive Auswirkungen auf Betroffene haben, psychisch stark belasten und dazu führen, dass sich die angegriffenen Frauen aus Selbstschutz zurückziehen müssen.
Das Internet als Katalysator für vorherrschende Machtstrukturen
Gewaltformen wie Cyber-Grooming und Sextortion entstehen, wenn neue Technologien auf alte, sexistische Denkmuster und Normierungen treffen.
Das Netz fungiert als Verstärker für bestehende patriarchale Strukturen: Nach dem Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl wurde frauenfeindliche Rhetorik online massiv befeuert. Ein Trump-Unterstützer verbreitete ein Video mit dem Slogan „Your Body, My Choice“, um Frauen in Amerika mit der möglichen weiteren Verschärfung des Abtreibungsverbots zu drohen. Im originalen lautet der Spruch ‚My Body, My Choice‘ und drückt das Recht auf Selbstbestimmung und reproduktive Freiheit aus.
Der Spruch verbreitete sich rasant und geht online häufig mit Vergewaltigungsdrohungen einher. Er wird sogar auf T-Shirts gedruckt, die in Online-Shops zum Verkauf angeboten werden. Eine Journalistin berichtet auf Instagram, dass sie in der Wiener U-Bahn hört wie ein Junge diesen Satz zu seiner Mitschülerin sagt.
Das Internet bietet weitere Möglichkeiten Gewalt gegen Frauen und Mädchen auszuüben: Gewaltformen wie ‚Cyber-Grooming‘ und ‚Sextortion‘ können entstehen, wenn neue Technologien auf alte, sexistische Denkmuster und Normierungen treffen.
Digitale Gewalt ist kein individuelles Problem, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung, die die Machtverhältnisse unserer Gesellschaft widerspiegelt. Digitale Gewalt zeigt, wie eng analoge und digitale Machtstrukturen miteinander verwoben sind. Sie ist eine neue Dimension einer alten Problematik und erfordert eine gesellschaftliche Antwort: mehr Schutz für Betroffene, entschlossene rechtliche Schritte gegen Täter:innen und geschlechterspezifische Aufklärungsarbeit.
Formen digitaler Gewalt
- Sextortion (sexuelle Erpressung): Sextortion ist eine Form der digitalen Gewalt, bei der intime Fotos oder Videos – oft unter Druck oder Täuschung erlangt – dazu genutzt werden, Frauen zu erpressen. Täter drohen, diese Bilder zu veröffentlichen, wenn die Betroffenen nicht Geld zahlen oder weitere Nacktbilder schicken.
- Slutshaming: Slutshaming beschreibt die Praxis, Frauen für ihr vermeintliches oder tatsächliches sexuelles Verhalten öffentlich zu verurteilen. Dies kann von abfälligen Kommentaren zu ihrem Aussehen bis hin zur Veröffentlichung privater oder gefälschter Bilder reichen. Es wird häufig benutzt, um Frauen zu kontrollieren und zu demütigen, besonders, wenn sie sich selbstbewusst in der Öffentlichkeit oder in sozialen Medien zeigen.
- Ungefragtes Senden von Dick-Pics: Das ungefragte Senden von Fotos männlicher Genitalien, sogenannte Dick-Pics, ist eine Form sexueller Belästigung, die viele Frauen erleben. Es ist nicht nur unangemessen, sondern auch übergriffig und kann traumatisierend wirken. Diese Praxis zielt darauf ab, Frauen zu schockieren, einzuschüchtern und Macht über sie auszuüben.
- Cyber-Grooming: Unter „Cyber-Groomig“ versteht man die sexuelle Belästigung Minderjähriger durch Pädokriminelle. Diese nutzen eine falsche Identität, um Kontakte zu den Minderjährigen zu knüpfen, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie dann dazu bringen, ihnen bloßstellende oder kinderpornographische Bilder und Videos zu schicken oder sich mit ihnen zu treffen.
- Bloßstellen (Revenge Porn/Non Consensual Pornography): Beabsichtigtes Bloßstellen der Betroffenen durch die Verbreitung intimer Foto- oder Filmaufnahmen ohne Einwilligung der Abgebildeten oder Gefilmten, z.B. um sich an der Ex-Partnerin zu rächen.