Die beeindruckende Geschichte des Florian S.
„Bewährungshilfe – am Anfang hab‘ ich mir gedacht: ‚Wer braucht das?‘ Dann hab‘ ich den Peter kennengelernt und war positiv überrascht.“ Florian S. sitzt in Jeans, Kapuzenpulli und Baseballkappe an seinem großen Küchentisch und erinnert sich an seinen ersten Bewährungshilfe-Termin. Der war vor 15 Jahren und seither ist in Florians Leben kein Stein auf dem anderen geblieben. Als Jugendlicher waren er und sein Bruder in Salzburg stadtbekannt. Die Zündschnur war kurz und es brauchte nicht viel bis Florian explodierte.
Der Vulkan ist mittlerweile erloschen
Die Energie, die Florian nach wie vor ausstrahlt, lenkt er heute in positive Bahnen. Seine vier Kinder halten ihn auf Trab, er hat eine Ausbildung zum Behindertenbetreuer und Pflegeassistenten gemacht, arbeitet mit geistig behinderten Menschen und geht in seinem Job voll auf.
„Ich gehe jeden Tag gern in die Arbeit“, sagt er. Seine Klient:innen können zwar nicht sprechen, aber die Kommunikation funktioniere einwandfrei. „Du bekommst einfach so viel zurück,“ schwärmt Florian von seinem Job. Wenn er von seinen Kindern erzählt, vom Kite-Surfen, davon, dass er zwei Camping-Busse ausgebaut hat, nebenbei als Yogalehrer arbeitet und zum Buddhismus konvertiert ist, kann man kaum glauben, dass man vor 15 Jahren am Rudolfskai lieber die Straßenseiten wechselte, als ihm und seinen Freunden zu begegnen.
Ganz linear ist seine Lebensänderung nicht verlaufen.Kurz vor Ende seiner Bewährungszeit, schlägt er einem Passanten wegen einer Nichtigkeit eine Bierdose gegen den Kopf. Es folgt eine weitere Verhandlung. „Und ich habe das Engagement von Peter um zwei Jahre verlängert“, kann er heute darüber lachen.
Für Peter Wieser war die erneute Gewalttätigkeit seines Klienten ein herber Rückschlag. „Ich hatte zuvor schon das Gefühl, es geht in die richtige Richtung – und dann das“, sagt er. „Rückblickend war es allerdings gut, dass wir zwei weitere Jahre Zeit gehabt haben – ich glaube, das war ausschlaggebend dafür, dass Florian sein Leben so gut in den Griff bekommen hat.“
Ich war wie ein Vulkan
„Wenn es soweit war, bin ich ausgebrochen.“ Und damit meint er, dass er zugeschlagen hat. Wie viele Jugendliche, die wegen Gewaltdelikten mit dem Gesetz in Konflikt kommen, liegt die Ursache für sein Verhalten in der frühen Jugend.
Als Florian sechs Jahre alt war hat sein Vater begonnen, die Mutter und die Kinder zu schlagen und zu bedrohen. Die Scheidung erfolgte erst sechs Jahre nach Beginn des Martyrium. Ab dem 13. Lebensjahr verbrachte Florian seine Jugend in einem Heim. „Die ersten drei Wochen bin ich nur geschlagen worden“, erinnert er sich. Geraucht habe er schon davor, im Heim seien die Drogen noch dazu gekommen.
Halt fand er in der Fanszene des Fußballvereins Austria Salzburg. „Das war wie eine Familie“, sagt er. „Keiner hat den anderen hängen gelassen. Für uns war das damals ein cooler Lifestyle. In Salzburg hat man uns auf einmal gefürchtet“.
Heute kann er darüber den Kopf schütteln. Damals waren Schlägereien ganz normal. „Egal ob das ein anderen Fan, oder ein Polizist war.“ Eine Verurteilung wegen Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt war nur eine Frage der Zeit. Und dann hat er Peter, seinen Bewährungshelfer, kennengelernt.
„Am Anfang bin zur Bewährungshilfe gegangen, weil ich musste, bald schon weil ich auch wollte. Peter war der erste der mir zugehört hat und den es interessiert, wie es mir geht. Ich hatte nicht den Eindruck er macht das nur, weil er den Job erledigt haben möchte“, sagt Florian. „Durch das Reden und das Zuhören hab‘ ich angefangen zu reflektieren. Irgendwann hab‘ ich mir gedacht, ‚das kann ja nicht dein Ernst sein.‘ Bis man das verinnerlicht, dauert es aber lange. Mit der Zeit hat sich zu Peter eine Bindung aufgebaut, die mir gezeigt hat, dass ein anderes Leben möglich ist. Ich habe das ja nicht gekannt. Mein Leben war geprägt von Gewalt.“
Gibt es Kontinuitäten zu früher?
Kaum. Einzig den Fußball. Florian ist mittlerweile Fan von Manchester United, Mitglied im Fanclub und immer wieder im altehrwüdigen Old-Trafford Stadium.
Blau auf Haut ist der Schriftzug Manchester United auch in seinen Unterarm tätowiert. Für seinen Club und seine Freunde auf der Insel hat er sogar Englisch gelernt, denn das sei im Heim zu kurz gekommen.
Meditieren und Buddhismus haben einen großen Stellenwert in Florians Leben. Aber ganz ohne Fußball kann man ja auch nicht glücklich sein.