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Am Puls der Zeit?! Trends, Transfer und Tradition in der Kriminologie

Die diesjährige 18. Wissenschaftliche Fachtagung der Kriminologischen Gesellschaft fand vom 26. bis 28. September 2024 in Tübingen statt und stand unter dem Thema „Am Puls der Zeit?! Trends, Transfer und Tradition in der Kriminologie“.

Die Tagung versammelte etwa 270 internationale Expert:innen aus verschiedenen Ländern wie Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch aus Großbritannien, den Niederlanden und Taiwan. Die Fachtagung behandelte aktuelle Herausforderungen wie etwa Klimawandel, Pandemie und internationale Konflikte, die neue Impulse für die Kriminologie setzen.  Ziel war es, zu diskutieren, wie diese Veränderungen die Forschung und Praxis beeinflussen und wie kriminologische Erkenntnisse besser in die Gesellschaft und Politik übertragen werden. So widmete sich etwa das Panel Session 3 dem Thema „Legalbewährung und -prognose“.

Unterschiede in der Legalbewährung von Strafgefangenen nach intra- und extramuraler Haft

Dr. Cornelia Auer, die auch als ehrenamtliche Bewährungshelferin beim Verein NEUSTART Wien tätig ist, stellte in diesem Rahmen zentrale Ergebnisse ihrer an der Universität Wien approbierten Dissertation zum Thema: „Unterschiede in der Legalbewährung von Strafgefangenen nach intra- und extramuraler Haft“ vor. Sie begann ihren Vortrag damit, einige zentrale Eckdaten zum österreichischen Strafvollzug – wie die hohe Auslastung der Justizanstalten und die höheren Wiederverurteilungsraten nach Haftentlassung – sowie die extramurale Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests (im Folgenden: eüH) vorzustellen.

Im zweiten Teil ihres Vortrags ging sie näher auf die Fragestellung und das Forschungsdesign der Studie ein, durch das der mögliche Einfluss der gewählten Vollzugsform auf die spätere Legalbewährung untersucht wurde. Hierzu führte sie eine österreichweite, quantitative Aktenstudie durch. Der für die Auswahl der Akten relevante Beobachtungszeitraum bezog sich auf die Antragsjahre 2010–2015 sowie die Entlassungsjahre 2011–2016. Im Rahmen der Studie konnten insgesamt 900 Personen untersucht werden. Diese setzten sich aus 659 eüH-Klient:innen (549 Frontdoor- und 110 Backdoor-Klient:innen) sowie 241 Personen, die ihre Strafe aufgrund einer negativen Risikoprognose intramural verbüßten, zusammen.

Im Anschluss an die Aktenstudie analysierte sie aktuelle Strafregisterauszüge der Untersuchten aus den Jahren 2016–2020, um mögliche, nach Entlassung aus intra- bzw extramuraler Strafhaft im Hellfeld hinzugetretene strafrechtliche Verurteilungen zu erfassen. Untersucht wurde dabei ein Zeitraum von vier Jahren ab dem individuellen Zeitpunkt der Entlassung. In einem letzten Schritt wurden auch die dokumentierten NEUSTART-Verläufe der eüH-Klient:innen des Jahres 2015 analysiert, um einen tieferen Einblick in die Zeit während der extramuralen Haft zu erhalten und im Rahmen dieser Vollzugsform auftretende Problembereiche, aber auch positive Entwicklungen aufzuzeigen. Die gewonnenen Daten wurden anschließend mit Hilfe von uni- und multivariaten Verfahren analysiert und auch hinsichtlich ihrer Beziehung zu anderen – eine Delinquenz begünstigenden oder reduzierenden – Faktoren näher untersucht.

Im Rahmen der empirischen Untersuchung fanden sich zum einen bezüglich der erhobenen Merkmale der Untersuchten – wie beispielsweise dem Ausbildungs- und Familienstand, dem Anlassdelikt, der bisherigen Delinquenz, einer Vorhafterfahrung oder einer vorliegenden Suchtproblematik – und zum anderen hinsichtlich einer nach der Entlassung erfolgten Wiederverurteilung signifikante Unterschiede zwischen den untersuchten Gruppen.

Dabei zeigt sich hinsichtlich der Wiederverurteilungsraten eine Differenz von rund 20 Prozentpunkten zugunsten der extramuralen Haft. Da diese Erkenntnis alleine noch keine Auskunft darüber gibt, ob die Vollzugsform selbst hierfür als einflussnehmender Faktor agiert, wurde diese Frage mittels einer binären logistischen Regression näher untersucht.

Der eüH hat einen positiven Effekt auf die Legalbewährung

Als zentrales Ergebnis der Studie kann festgehalten werden, dass die Vollzugsform des eüH einen die Legalbewährung positiv beeinflussenden Effekt zeigt, selbst wenn andere, möglicherweise einflussnehmende Faktoren entsprechend Berücksichtigung finden.

Der eüH trägt somit umfassend zur (Re‑)Sozialisierung und (Wieder‑)Eingliederung von Straftäter:innen in die Gesellschaft bei. Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich die Empfehlung ableiten, dass der Einsatz der extramuralen Haft im Rahmen des eüH, wo immer dies möglich und tunlich ist, forciert werden sollte, um die Strafgefangenen nicht nur umfassend auf ein Leben in Freiheit in der Mitte der Gesellschaft vorzubereiten, sondern auch ihre Legalbewährung nachhaltig zu stärken.

Lesetipp: Die Dissertation von Dr. Cornelia Auer wird in Kürze unter dem Titel „Strafvollzug und Legalbewährung – Eine Untersuchung der intra- und extramuralen Haft in Österreich“ als Buch im Nomos Verlag erscheinen.

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