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#TeamNEUSTART: Klaus Bergmaier

„Das Ehrenamt ist ein Ausgleich zum Job, der Job ist ein Ausgleich zum Ehrenamt, und die Zeit mit der Familie ist ein Ausgleich zu beidem“, sagt Klaus Bergmaier, der Berufsmusiker und seit 26 Jahren ehrenamtlicher Bewährungshelfer ist…

Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtlicher Bewährungshelfer?
Mein Name ist Klaus Bergmaier. Ich bin 53 Jahre alt. Als ehrenamtlicher Bewährungshelfer bin ich seit 1998 in Krems tätig, also mittlerweile seit 26 Jahren.

Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Ich war damals hauptberuflich im Sozialbereich tätig, allerdings bin ich kein Diplomierter Sozialarbeiter, sondern quasi Quereinsteiger im Bereich der vom AMS zugekauften Expert:innen – zunächst war ich beim BFI, dann bei der Volkshilfe – und habe mit arbeitsuchenden Jugendlichen gearbeitet. Bei den Sozialarbeits-Vernetzungstreffen in den Bezirken, in denen ich tätig war, lernte ich auch Leute von NEUSTART kennen. Die damalige Kremser Teamleitern Doris Beneder sprach mich an, da es ihr wichtig war, in ihrem Team jemanden zu haben, der sich mit dem Berufsausbildungsgesetz und mit Job- und Lehrstellensuche auskennt. Als gebürtiger Kremser lebte ich natürlich mit zwei großen Justizanstalten, meine Mutter arbeitete bei einem Rechtsanwalt, und es ist in unserer Gegend unmöglich, in der Verwandtschaft und im Freundeskreis niemanden zu haben, der bei der Justizwache oder am Gericht arbeitet. Von daher gab es immer schon eine Nähe zum Thema und ein Interesse daran. Meine Zusage, mich in der Bewährungshilfe ehrenamtlich zu betätigen, hat aber auch massiv mit meiner eigenen Einstellung zu tun. Für mich ist klar, dass leider nicht alle die gleichen Chancen haben und dass es die Pflicht der Gesellschaft ist, diese Ungleichheiten auszugleichen. Auch die Klient:innen von NEUSTART sind Teil unserer Gesellschaft, denn laut meinem Verständnis haben wir nur eine. Und daher sehe ich eine Verpflichtung, auch an die „Ränder“ der Gesellschaft zu blicken und allen Menschen die Möglichkeit zu schaffen, in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren zu können. Mir gefällt an der ehrenamtlichen Arbeit, dass ich die Möglichkeit habe, neue Menschen kennen und verstehen zu lernen. Natürlich waren und sind die fachlichen Fortbildungen sensationell, der Austausch mit den Kolleg:innen aus Haupt- und Ehrenamt inspirierend und unendlich wertvoll.

Und was machst du hauptberuflich?
Nachdem ich bis 2008 im AMS-nahen Bereich gearbeitet habe – der mich auch danach nicht immer ganz losgelassen hat – und zusätzlich an der Donau-Universität war, habe ich mich – zeitlich auch zusammenfallend mit meiner Familiengründung – dafür entscheiden, ein weiteres Standbein, das ich immer schon hatte, nämlich die Musik, zu meinem Hauptberuf zu machen. Ein paar Stunden in der Woche unterrichte ich auch. Aber im Wesentlichen gebe ich im Schnitt zwei bis drei Konzerte pro Woche. Im In- und Ausland. In verschiedenen Ensembles und Bands.

Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Als ich noch im Sozialbereich tätig war, war klar, dass sich das wunderbar ergänzte. Alles, was ich dort lernte, konnte ich auch bei NEUSTART gut brauchen und umgekehrt. Jetzt als Berufsmusiker ist das vielleicht nicht mehr so intensiv der Fall, aber ich liebe – auch beruflich – die Abwechslung und will die Arbeit als Bewährungshelfer nicht missen. Ich mache übrigens auch noch einige andere ehrenamtliche Tätigkeiten, etwa für Menschen mit besonderen Bedürfnissen und in Elternvereinen.

Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtlicher Bewährungshelfer bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Das wird sehr geschätzt, und das Interesse am Thema ist sehr groß. Schon alleine deshalb ist die ehrenamtliche Bewährungshilfe so wichtig, um den Gedanken der Resozialisierung und der „zweiten Chance“ breit in der Bevölkerung zu verankern. Nur äußerst selten wird unsere Arbeit als erste Reaktion in Zweifel gestellt. Nachdem ich sie dann aber näher erklärt habe, gibt es immer Interesse und Verständnis dafür.

Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Derzeit nur zwei. Ich habe aber meistens die volle Anzahl von fünf. Ich hatte übrigens unter meinen mittlerweile über 80 Klient:innen tatsächlich nur eine einzige Klientin.

Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Tendenziell arbeite ich sehr gerne mit jüngeren Menschen, vielleicht hat sich das aber auch deshalb so ergeben, weil sehr oft die Arbeits- und Lehrstellensuche ein Thema war. Mittlerweile habe ich auch schon Klienten betreut, die älter waren als ich, das war aber eher die Ausnahme. Aber auch das war interessant. Bezüglich Deliktarten habe ich keine Präferenz, im Ehrenamt sind einige Delikte ja ohnehin nicht möglich.

Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Bei mir ist die typische Betreuungssituation der Hausbesuch, da ich im Bezirk Krems – aufgrund meines Berufs und meiner langjährigen politischen Tätigkeit – sehr bekannt bin. Treffen in Kaffeehäusern, selbst von Klient:innen, die das gerne probieren wollen, werden meist rasch als suboptimal empfunden, weil immer wieder jemand an den Tisch tritt, der mich kennt. Ein Vorteil davon ist, dass dann nur selten ein Termin nicht zustandekommt. Inhaltlich ist ein Termin stets eine Mischung aus Arbeitsaufträgen und Themen, die ich abarbeiten oder besprechen muss, und den Anliegen, Fragen und Wünschen der Klient:innen. Mir ist stets wichtig, dass beide aus einem Gespräch ein positives Ergebnis mitnehmen können. Auch Wiedergutmachung und die Opfer des Delikts sind oft Thema. Zum Beziehungsaufbau gibt es natürlich auch immer einen Freiraum für die Klient:innen und was ihnen wichtig ist.

Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Wir ächten die Tat, nicht den Menschen. Danach sollen wir uns richten und müssen stets überprüfen, ob dies auch ausreichend gelingt und wir dennoch authentisch bleiben können. Und natürlich sollen wir Vorbilder für die Klient:innen sein.

Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Zunächst, wenn der Beziehungsaufbau gelingt. Dann, wenn die Klient:innen vertrauensvoll mit diversen Anliegen kommen. Und dann, wenn die Klient:innen wirklich von selbst betonen, dass sie von der Arbeitsbeziehung profitieren konnten und Angebote und Weisungen auch ernstnehmen.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Das Ehrenamt ist ein Ausgleich zum Job, der Job ist ein Ausgleich zum Ehrenamt. Die Zeit mit der Familie ist ein Ausgleich zu beidem. In meiner kärglichen Freizeit lese ich, schwimme gerne, fahre Rad und gehe auch noch einigen anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Falls es hier Leser:innen gibt, die noch keine ehrenamtliche Bewährungshilfe betreiben, so sollten sie das auf alle Fälle in Erwägung ziehen und sich informieren. Wir sind EINE Gesellschaft. Alle gehören dazu und müssen sich willkommen, erwünscht, verstanden und akzeptiert fühlen können, wenn wir nicht in große Probleme kommen wollen. Und im Sozial- und Bildungsbereich darf nicht gespart werden, denn das kostet uns alle auf lange Sicht wesentlich mehr.

Foto: © Werner Jäger

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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