Bitte stell dich kurz vor.
Mein Name ist Sigrid Koberger, ich bin 54 Jahre alt und lebe mit meiner Familie in Frankenburg am Hausruck.
In welcher NEUSTART Einrichtung und welchem Bereich arbeitest Du?
Ich bin am Standort Ried im Innkreis bei NEUSTART Oberösterreich tätig und arbeite in den Bereichen Bewährungshilfe, elektronisch überwachter Hausarrest, Gewaltpräventionsberatung und Ehrenamtliche Teamleitung.
Seit wann bist du bei NEUSTART? Und warum hast du dich für NEUSTART als Arbeitgeber entschieden?
Seit 1.10.1992 arbeite ich hauptamtlich bei NEUSTART (damals noch VBSA – Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit) – von Anfang an in der Geschäftsstelle in Ried. Die Arbeit mit Menschen, die straffällig geworden sind und oftmals am Rande der Gesellschaft stehen, hat mich schon sehr früh interessiert. Bereits während meines Studiums an der Sozialakademie Linz begann ich als ehrenamtliche Bewährungshelferin zu arbeiten. Übrigens auf Initiative meines damaligen Studienkolleges – und jetzigen NEUSTART Geschäftsführers –Alfred Kohlberger.
Du Leitest, unter anderem, ein Team ehrenamtlicher Bewährungshelfer:innen. Was darf man sich darunter vorstellen, was genau machst du in dieser Funktion?
Genau, gemeinsam mit meiner Kollegin Brigitte Dobler leite ich eines von insgesamt vier Teams Ehrenamtlicher im Innviertel. Jede:r ehrenamtliche Mitarbeiter:in wird von einer:m Teamleiter:in unterstützt und begleitet. Vom Betreuungsbeginn bis zum Betreuungsende einer:s Klient:in. Je nach Bedarf der Ehrenamtlichen werden verschiedene Fragestellungen rund um die Fallführung besprochen und reflektiert. Auch bei der notwendigen Dokumentation schulen wir die ehrenamtlichen Kolleg:innen entsprechend ein und leiten sie an. Als Teamleiterin bin ich auch für die Fachaufsicht der Ehrenamtlichen zuständig. Das heißt, unter anderem, dass ich die Dokumentation und den Schriftverkehr regelmäßig überprüfe. Bei Unklarheiten oder auch Versäumnissen kann ich also zeitnah reagieren. Auch die Aufwandsentschädigung weisen wir Teamleiter:innen an. Bei NEUSTART erhalten nämlich alle ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, für jede:n zu betreuende:n Klient:in, eine pauschalierte Aufwandsentschädigung. Neben dieser Form des Kontaktes gibt es regelmäßige Teamsitzungen, in denen sich alle Ehrenamtlichen treffen und austauschen. Wir Teamleiter:innen bereiten diese Teambesprechungen vor und moderieren sie. Es ist mir sehr wichtig, dass sich die Ehrenamtlichen bei diesen Treffen wohl fühlen und eine angenehme Atmosphäre vorfinden. Ich bin außerdem dafür zuständig, dass diverse Fortbildungswünsche und -bedürfnisse entsprechend berücksichtigt und gefördert werden. Es geht insgesamt darum, dass wir gute Rahmenbedingungen schaffen, die ein professionelles Arbeiten mit möglichst hoher Arbeitszufriedenheit sicherstellen.
Wie viele Ehrenamtliche sind in deinem Team und wie oft trefft ihr euch?
Im Team Ried/Schärding arbeiten derzeit elf ehrenamtliche Mitarbeiter:innen und wir treffen uns einmal monatlich zu einer zweistündigen Teambesprechung. Ca. zweimal im Jahr gehen wir im Anschluss an die Teamsitzung gemeinsam essen. Dabei geht es uns darum, uns besser kennenzulernen und fernab von Falldarstellungen und fachlichem Austausch, genügend Zeit zum Plaudern zu finden. Für die Teamkultur ist das jedenfalls sehr förderlich!
Worin unterscheidet sich die ehrenamtliche Bewährungshilfe überhaupt vom Hauptamt?
Grundsätzlich sind haupt- und ehrenamtliche Bewährungshelfer:innen in ihren Rechten und Pflichten gleichgestellt. Auch die Betreuung an sich verläuft ähnlich. Wir verfolgen letztlich alle dasselbe Ziel: neuerliche Delinquenz zu vermeiden und die Lebenssituation von Klient:innenzu zu verbessern. Der wesentlichste Unterschied ist die Tatsache, dass ehrenamtliche Bewährungshelfer:innen höchstens fünf Klient:innen betreuen. Hauptamtliche Bewährungshelfer:innen sind für einen viel größeren Klient:innenkreis zuständig. Einige wenige Täter:innengruppen können zudem nicht von ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen betreut werden, etwa Sexualtraftäter.
Wie stellt NEUSTART sicher, dass die Qualität der Betreuung auch im Ehrenamt gewährleistet ist?
Ehrenamtliche Bewährungshelfer:innen werden von ihren Teamleiter:innen kontinuierlich angeleitet und unterstützt. In der Realität heißt das, dass sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen bei diversen Betreuungsfragen, rechtlichen Informationsdefiziten oder anderen Unklarheiten jederzeit an uns wenden können. Gemeinsam arbeiten wir an sinnvollen bzw. notwendigen Betreuungsschritten und reflektieren die Betreuungsbeziehung. Die monatliche Teambesprechung bietet eine gute Möglichkeit, sich mit der eigenen Betreuungssituation zu beschäftigen und vor allem auch durch die Inputs der anderen ehrenamtlichen Kolleg:innen zu lernen. Außerdem gibt es bei NEUSTART eine Basiseinschulung und ein umfangreiches Fortbildungsprogramm für Ehrenamtliche – z.B. über Deliktverarbeitung oder Steuernde Sozialarbeit. All das gewährleistet und unterstützt eine qualitätsvolle Betreuung im Ehrenamt.
Kann jede:r Ehrenamtliche:r bei NEUSTART werden oder muss man spezielle Voraussetzungen erfüllen?
Grundsätzlich: Ja! Es gibt keine speziellen Voraussetzungen was den Schul- oder Berufsabschluss betrifft. Allerdings wird im Rahmen des Bewerbungsgespräches darauf geschaut, welches Menschenbild die:der jeweilige Bewerber:in hat, welche grundsätzliche Einstellung jemand zu straffällig gewordenen Menschen hat, wie motiviert, belastbar und reflektiert jemand erscheint und natürlich auch, wie viel Zeit jemand zur Verfügung stellen kann und will. Letztlich sollten Bewerber:innen vor allem viel Interesse, Offenheit, Lern- und Teamfähigkeit mitbringen, mindestens 24 Jahre alt und vor dem Gesetz unbescholten sein.
Lernen nur die Ehrenamtlichen von den Hauptamtlichen oder profitierst umgekehrt auch du selbst von der Expertise und Lebenserfahrung dieser Menschen?
Selbstverständlich ist es ein gegenseitiges Lernen und Weiterentwickeln, das ist ja das Schöne daran! Den Austausch mit den Ehrenamtlichen, im Team und auch im Zweiergespräch, erlebe ich für beide Seiten sehr befruchtend. Ganz oft haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen, aufgrund ihres Hauptberufes, Spezialwissen von dem alle anderen in der Gruppe und natürlich auch die Klient:innen, sehr profitieren – etwa über Finanzregulierung, Arbeitsintegrationsmaßnahmen, Suchtproblematiken etc.
Fällt dir spontan ein Beispiel für eine:n Ehrenamtliche:n ein, das dich besonders beeindruckt?
Mich fasziniert sehr oft und immer wieder, mit wie viel Engagement, Zeit, Energie, Geduld und vor allem Herzblut sich die Ehrenamtlichen – wohlgemerkt in ihrer Freizeit (!) – einbringen. Es ist absolut beeindruckend, zu beobachten, wie professionell sie sich in die jeweilige Betreuungsbeziehung einlassen; wie sie Einstellungs- und Verhaltensänderungen initiieren und mittragen und vor allem, wie sehr sie sich mit ihren „Schützlingen“ über gemeinsam Erreichtes mitfreuen.
Was gefällt dir an deiner Arbeit mit Ehrenamtlichen am besten?
Dass ich dazu beitragen kann, dass die ehrenamtlichen Kolleg:innen einen guten und anerkannten Platz innerhalb von NEUSTART haben. Die Leitung eines Teams Ehrenamtlicher ist eine gute Ergänzung zu den anderen Leistungsbereichen, in denen ich tätig bin. Den Austausch mit „meinen“ Ehrenamtlichen erlebe ich erfrischend und sehr lebendig. Er ist getragen von großer gegenseitiger Wertschätzung. Die Teamsitzungen haben einen hohen fachlichen Standard und zugleich kommt der Humor nicht zu kurz. Ich schätze es sehr, das Team gemeinsam mit meiner Kollegin Brigitte Dobler zu leiten. Wir kennen uns schon lange und sind ein gut eingespieltes und verlässliches Leitungsteam. All das macht einfach Freude!
Was sind die größten Herausforderungen bei der Unterstützung ehrenamtlicher Kolleg:innen?
Ich bin jetzt schon sehr lange Leiterin eines Teams Ehrenamtlicher. Im Laufe der vielen Jahre hat sich gezeigt, dass die zu betreuenden „Fälle“ oftmals schwieriger und komplexer geworden sind. Auch die Dokumentation hat sich gravierend verändert und ist anspruchsvoller und damit auch aufwendiger geworden. Das bedeutet manchmal eine verstärkte und zeitintensivere Unterstützung der Ehrenamtlichen. Die zeitlichen Ressourcen dafür sind allerdings begrenzt. Es ist wichtig, oft aber gar nicht so einfach, auf die für die Teamleitung zur Verfügung gestellten zeitlichen Ressourcen gut zu schauen, diese effektiv einzusetzen und zugleich den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
Wo hast du gesehen, dass deine Arbeit als Leiterin eines Teams Ehrenamtlicher etwas bewirkt?
Wenn Ehrenamtliche über einen längeren Zeitraum bei NEUSTART bleiben und arbeiten wollen, sich im Team wohl fühlen und dort eine offene und respektvolle Auseinandersetzung möglich ist bzw. wenn die hohe fachliche Kompetenz der Kolleg:innen gut sichtbar, erlebbar und erweitert wird. Ja, dann habe ich – gemeinsam mit meiner lieben Kollegin Brigitte – etwas beitragen und bewirken können.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job?
Ich bin gerne in der Natur, in den Bergen, unterwegs. Und dies zu wirklich jeder Jahreszeit – ob zu Fuß, mit dem Rad oder den Schiern. Und ich liebe es, im Attersee zu schwimmen. Glücklicherweise wohne ich in der Nähe dieses Juwels.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit deinen Kolleg:innen teilen möchtest?
Ich bin nach wie vor, nach über 32 Jahren, noch sehr gerne und mit großer Leidenschaft Bewährungshelferin. Ich finde diese Arbeit unverändert spannend, fordernd, abwechslungsreich und sinnstiftend. Ich habe es nie bereut, diesen Beruf ergriffen zu haben und in der Straffälligenhilfe gelandet zu sein. Ganz im Gegenteil!
Ein großes DANKE allen ehrenamtlichen Kolleg:innen, die mit ihrem Einsatz einen sehr wichtigen gesamtgesellschaftlichen Beitrag für ein besseres Miteinander leisten.
Ein spezielles DANKE an „meine“ Ehrenamtlichen in Ried, die ich sehr schätze und die sehr viel zu MEINER Arbeitszufriedenheit beitragen!