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Studienbesuch: Schweizer Jugendvollzug

Wie geht die Schweiz mit delinquenten Jugendlichen um? Vom 21. bis 23. Oktober 2024 hatten Jürgen Kaiser (NEUSTART Leiter Sozialarbeit), Johannes Pircher-Sanou (Leiter NEUSTART Vorarlberg) und ich die Gelegenheit, gemeinsam mit externen Kolleg:innen aus Tirol, Einrichtungen der Schweizer Jugendvollzuges kennen zu lernen.

Neben uns nahmen die Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall, Univ. Prof.in Kathrin Sevecke, Univ. Prof. Verena Murschetz, leitende Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendhilfe, eine Strafrichterin und eine Vertreterin des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Innsbruck teil.

So macht's die Schweiz

Bekanntermaßen funktioniert das System in der Schweiz ganz anders als in Österreich. Die Strafmündigkeit beginnt dort bereits mit zehn Jahren. Allerdings ist dort das Jugendstrafrecht konsequent vom Prinzip des „Schutzes des:r Jugendlichen geht vor Strafe“ geprägt.

Besonders bemerkenswert ist, dass dort die Kinder und Erwachsenen Schutzbehörde (KESB) auch ohne dass es zu Straftaten gekommen ist, Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz in Jugendeinrichtungen (offenen aber auch geschlossenen) unterbringen kann. Die strafrechtlichen Maßnahmen, welche die Jugendanwaltschaft setzen kann, unterscheiden sich nicht maßgeblich von jenen der zivilrechtlichen KESB.

Unterstützung unabhängig vom Delikt

Dies zeigt sich auch bei den besuchten Einrichtungen. Viele von ihnen nehmen sowohl zivil- als auch strafrechtlich untergebrachte Jugendliche auf. Auch in der inhaltlichen Betreuung wird nicht zwischen den zivil- oder strafrechtlich Betreuten unterschieden. Ihr Bedarf an Unterstützung ist unabhängig vom Delikt. Einzelne Einrichtungen sind jedoch speziell für strafrechtliche Maßnahmen vorgesehen bzw. zum Vollzug von Freiheitsstrafen.

Individuelle Lösungen dank unterschiedlicher Angebote

Wir besuchten das Jugendheim der Schenkung Dapples, die Modellstation SOMOSA, die Justizanstalt Limmattal, das Maßnahmenzentrum Uitikon, das Jugenheim Aarburg und das Jugendheim Platanenhof. Auffallend war, dass all diese Einrichtungen unterschiedliche Angebote haben und somit sehr individuelle Lösungen für delinquente Jugendliche gefunden werden können. Während in der SOMOSA sozialpädagogisch und psychiatrisch betreut und begleitet wird, ist das Jugendheim der Schenkung Dapples rein sozialpädagogisch ausgerichtet. Auffallend war auch, welch hoch qualitativen Ausbildungen dort angeboten werden.

Bei allen Mitarbeitenden, die wir kennen lernen durften, waren das Engagement und die speziell auf Jugendliche ausgerichtete Herangehensweise stark spürbar. Immer wieder wurde sichtbar, dass Jugendanwaltschaft und Einrichtungen für alle Jugendlichen die beste Lösung finden wollen.

Unser Fazit

Ist alles Gold das glänzt? Sicher nicht. Auch die Schweiz stößt bei gewissen Kindern und Jugendlichen an die Grenzen. Es ist aber davon auszugehen, dass dies, aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen ambulanten wie stationären Settings, viel seltener als bei uns passiert.

Sicherlich werden wir uns noch intern über viele Eindrücke unterhalten müssen. Die Diskussion über eine allfällige Senkung der Strafmündigkeit wird auch immer wieder auftreten. Unabhängig dieser sollten wir uns aber anschauen, welche sinnvollen Angebote und Einrichtungen die Schweiz hat, die in Österreich fehlen. Aus meiner Sicht ist aber nicht anzustreben, dass wir diese im strafrechtlichen Kontext ansiedeln. Dem Prinzip der „Schutzmaßnahme vor Strafe“ und dem österreichischen Rechtssystem folgend, erscheint es mir eindeutig sinnvoller, wenn es sich um zivilrechtliche Maßnahmen und Einrichtungen handelt. Eine Senkung der Strafmündigkeit in Österreich wäre sicherlich keine sinnvolle Unterstützung für die Entwicklung von straffälligen Jugendlichen.

Über die/den Autor:in

Leitung NEUSTART Tirol

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