Suche
Close this search box.

#TeamNEUSTART: Dorothea Loske

Dorothea Loske ist Abteilungsleiterin bei NEUSTART Tirol. Ihre besondere Leidenschaft gilt der Arbeit im Gruppensetting, mit all ihren Höhen und Tiefen…

Bitte stell dich kurz vor:
Mein Name ist Dorothea Loske und ich lebe im Tiroler Unterland.

In welcher NEUSTART Einrichtung und welchen Bereichen arbeitest Du?
Ich bin als Abteilungsleiterin bei NEUSTART Tirol tätig. Neben der Abteilungsleitung leite ich, gemeinsam mit einem Kollegen, ein Team von ehrenamtlichen Bewährungshelfer:innen. Außerdem arbeite im Tatausgleich mit, betreue Klient:innen in der Bewährungshilfe mit der Weisung „Dialog statt Hass“ und begleite Klient:innen im Anti-Gewalt-Training und unseren Entlassungsgruppen im Gruppensetting.

Seit wann bist du bei NEUSTART?
Seit Oktober 2015.

Warum hast du dich für NEUSTART als Arbeitgeber entschieden?
Unsere familiäre Entscheidung, die Elternkarenz gleichermaßen auf beide Eltern aufzuteilen, ließ mich 2015 einen Job suchen. Anknüpfend an meine vorherigen Tätigkeiten, habe ich mich nach einer Leitungsstelle umgeschaut. Die Abteilungsleitung bei NEUSTART Tirol war ganz klassisch in der Tageszeitung inseriert und ich habe mich quasi „blind“ – ohne Vorkenntnisse im sozialarbeiterischen Handlungsfeld der Straffälligenhilfe – beworben. Es freut mich, dass ich überzeugen konnte 😊.

Du begleitest Entlassungsgruppen. Was darf man sich darunter vorstellen? Was passiert bei einer Entlassungsgruppe? Was ist das Ziel dieses Angebotes?
Dieses spezielle Gruppenangebot findet im Rahmen der freiwilligen Haftentlassenenhilfe statt. Es richtet sich an Klient:innen, die sich im Entlassungsvollzug befinden und ist ein wichtiger Baustein im Übergangsmanagement vom Gefängnis in die Freiheit.
Die Entlassungsgruppen gibt es österreichweit inzwischen schon seit mehr als 13 Jahren. Wir führen sie in enger Kooperation mit den Justizanstalten durch. Eine Gruppe von ca. zehn bis zwölf Personen wird dabei von zwei Trainer:innen geleitet, wobei die jeweilige Justizanstalt und die zuständige NEUSTART Einrichtung je eine:n Trainer:in stellt. Beide verfügen über eine spezielle Ausbildung für diese Arbeit.
Wir arbeiten ressourcen- und lösungsfokussiert mit den Gruppen. Das ermöglicht den Teilnehmer:innen eine zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit den eigenen Stress- und Konfliktlösungsmustern.
Ein zentraler Arbeitsansatz ist dabei das sogenannte „Embodiment“. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Auseinandersetzung mit dem Körper, mit der eigenen Leiblichkeit in Verbindung mit der Ausrichtung auf die Ressourcen und das Positive, gelegt: Wir nutzen und aktivieren das Potenzial des Körpers, um den Transfer von neu erworbenem oder reaktiviertem, intuitivem Wissen in den Alltag zu ermöglichen. Wie fühle ich mich gerade? Worauf habe ich Lust? Was sagt mir meine Intuition? Mit Fragen zum Körpergefühl und Übungen – wie Meditationen, Atemübungen oder Qui-Gong – kann diese Fähigkeit, den Körper mitzudenken und zur Kommunikation zu nutzen, geübt werden. Das ist wichtig, um die Resilienz insgesamt zu stärken und speziell die Fähigkeit, den eigenen Stress wahrzunehmen und abzubauen, zu erlernen. Dieses Bewusstsein und den Zugang zum eigenen Körper trainieren wir.
Die Entlassungsgruppenarbeit bietet außerdem die Möglichkeit, mit den anderen Gruppenteilnehmer:innen an den individuellen Beziehungskompetenzen zu arbeiten.

Wie geht es nach dem Abschluss für die Teilnehmer:innen weiter?
Nachdem die Teilnehmer:innen – Männer und Frauen können gemeinsam an den Gruppen teilnehmen – zehn ca. zweistündige, wöchentliche Einheiten absolviert haben, erhalten sie ein Abschlusszertifikat, das von einigen sogar zur Anhörung für die Bedingte Entlassung vorgelegt wird. Schließlich haben sie freiwillig ein Angebot in Anspruch genommen, um sich auf die Zeit nach der Entlassung vorzubereiten.
Von den zehn Einheiten finden die ersten fünf in der Justizanstalt statt und die restlichen fünf in Form von begleiteten Gruppenausgängen in den Räumlichkeiten von NEUSTART. Damit wird für einige Teilnehmer:innen gleichzeitig die Anbindung an NEUSTART nach der Haftentlassung vorbereitet – entweder über den freiwilligen Betreuungskontext, im Rahmen der Haftentlassenenhilfe, die sie bis zu einem Jahr nach der Entlassung in Anspruch nehmen können oder im Zuge einer bedingten Entlassung mit der Anordnung der Bewährungshilfe.

Worin unterscheidet sich dein Zugang im Gruppensetting vom „klassischen“ Einzelsetting, wie es beispielsweise bei der Bewährungshilfe praktiziert wird?
Den größten Vorteil bildet für mich das Arbeiten zu zweit, das mir das Gruppensetting ermöglicht: Das gleichzeitige, gemeinsame Arbeiten, das wechselseitige Beobachten, die gegenseitige Unterstützung, das aufeinander Vertrauen können, das unmittelbare Teilen von Erfolg und Misserfolg und die Arbeit am gemeinsamen Ziel sind für mich eine große Bereicherung.
In der konkreten Arbeit mit Gruppen schätze ich besonders die Gleichzeitigkeit von mehreren unterschiedlichen Sichtweisen und Möglichkeiten unserer Klient:innen, die Vielzahl an Begegnungen und Auseinandersetzungen, das Improvisieren, das aufeinander im Moment Achten und Reagieren müssen, die Gruppendynamik mit all ihren Höhen und Tiefen, das Wahrnehmen, wie unterschiedlich Impulse von den verschiedenen Menschen in der Gruppe aufgenommen, gesehen und umgesetzt werden können, die unbedingte allgegenwärtige Präsenz. Gruppenarbeit ist auch anstrengend, für mich bedeutet sie aber – fast immer – Arbeiten im Flow.

Hast du eine Präferenz was das betrifft? Also arbeitest du lieber mit Gruppen oder mit einzelnen Klient:innen?
Ich glaube, diese Frage beantwortet sich von allein 😊.

Was gefällt dir insgesamt an deiner Arbeit am besten?
Am Ende eines langen Tages bin ich immer wieder überwältig davon, wie abwechslungsreich meine Tätigkeiten sind. Obwohl es viele Vorgaben gibt, bleibt ausreichend Platz für Gestaltungspielräume. Und: Ich darf dabei mit wirklich vielen, tollen und engagierten Menschen zusammenarbeiten.

Woran merkst du, dass deine Arbeit etwas bewirkt?
Das ist für die Leserschaft sicher die spannendste und in der Beantwortung für mich zugleich die schwierigste Frage. Für mich wirke ich mit meiner Arbeit, wenn die Klient:innen es zulassen, dass ich für einen gewissen Abschnitt ihres Lebens ihre Wegbegleiterin bin. Wenn in unserer Zusammenarbeit ein freundliches Miteinander und Humor, trotz Zwangskontext und Auflagen, möglich sind, dann ist für mich ein Stück Boden bereitet, in dem die Saat für Veränderung Wachsen und Werden kann.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job?
Ich würde sagen im „klassischen“ Alltag einer sportlich begeisterten Tiroler Familie 😊. Im Sommer: Biken, Wandern, Camping, Klettern, Kajak fahren… Im Winter: Skifahren, Skitouren, Rodeln, Schneeschuhwandern… Kurz: In Bewegung sein und bleiben.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit deinen Kolleg:innen teilen möchtest?
Ich bin immer wieder beeindruckt, auf welchen Rückhalt und auf welche Unterstützung unsere Klient:innen durch jede:n einzelne:n „Neustartler:in“ vertrauen können – auch seitens der ehrenamtlichen Bewährungshelfer:innen!

Foto: © feel image/Matern

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

Mehr von mir lesen >>