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Faktencheck: Strafe muss sein!

Auf schwere Straftaten und solche, die besonders betroffen machen – zum Beispiel, weil Kinder involviert sind – werden als Reaktion oftmals härtere Strafen gefordert. Diese würden künftige Täter:innen abschrecken und weitere Opfer von Kriminalität verhindern, so die Annahme. Ein Faktencheck widerlegt diese Mythen.

Mythos 1: Harte Strafen schrecken ab und verhindern Kriminalität.

Die Idee einer „Generalprävention“, laut der die Angst vor Strafe Verbrechen verhindert, ist für Gefängnisstrafen schlecht belegt. Der Sozialpsychologe John Darley zum Beispiel berichtete in seiner Studie „Über die Unwahrscheinlichkeit, die Kriminalitätsraten durch Erhöhung der Härte von Gefängnisstrafen zu reduzieren“ in den USA, dass die meisten Gefängnisinsass:innen angaben, dass sie gar nicht an die Möglichkeit des Gefängnisses dachten, als sie ihre Tat begingen. 

Auch der US-Ökonom David Anderson kam in seiner Interviewstudie mit 300 Gefangenen für das American Law and Economics Review Journal zu dem Schluss, dass 76 % zum Zeitpunkt der Tatbegehung entweder keine Gefahr der Festnahme wahrnahmen oder sich der wahrscheinlichen Strafen für ihre Tat nicht bewusst waren. In der Gruppe der Gewaltverbrecher:innen waren es sogar 89 %. Dieses Nicht-Wahrnehmen und Sich-nicht-bewusst-Sein ist laut dem deutschen Psychologen Denis Köhler auf häufigen Alkohol- und Drogenmissbrauch von Straftäter:innen, eskalierende Gruppendynamiken oder psychische Erkrankungen zurückzuführen.

Mythos 2: Opfer von Kriminalität können erst dann Ruhe finden, wenn die Täter:innen eine harte Strafe erhalten haben.

Das mag in manchen Fällen stimmen, insbesondere bei schweren Verbrechen: Eine Haftstrafe dient auch dem Zweck des Opferschutzes und dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Ein Strafprozess mit seiner Bürokratie werde aber nicht immer den Bedürfnissen und Wünschen der Opfer von Straftaten gerecht, so der deutsche Psychologe und Kriminologe Helmut Kury. Statt um Schutz und Vergeltung gehe es ihnen oft vielmehr um Verantwortungsübernahme durch die Täter:innen und Wiedergutmachung. Konfliktregler:innen achten daher beim Tatausgleich darauf, dass Opfer von Kriminalität die Auswirkungen und Folgen der Straftat gegenüber den Beschuldigten klar zum Ausdruck bringen können und berechtigte Schadenersatzforderungen stellen.

Mythos 3: Wer nicht hart bestraft wird, wird wieder straffällig werden.

Veronika Hofinger und Jörg Peschak vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Innsbruck kommen in ihrem Endbericht zur Rückfalluntersuchung zum Schluss, dass 87 % der NEUSTART Klient:innen, die als Beschuldigte an einem außergerichtlichen Tatausgleich teilgenommen haben, mindestens drei Jahre nach Ende des Tatausgleichs nicht verurteilt wurden. Klient:innen, die gemeinnützige Arbeit anstelle einer Vorstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe verrichteten, blieben in 78 % der Fälle straffrei.

Im Vergleich: In Fällen leichter Körperverletzung wurden nach gerichtlicher Verurteilung innerhalb von drei Jahren 36 % neuerlich verurteilt. Drei Jahre nach einem Tatausgleich bei demselben Delikt wurden nur 11 % der Beschuldigten verurteilt. Verurteilungen und damit „härtere“ Strafen wirken sich demnach nicht positiv auf die Rückfallquote aus – im Gegenteil. Vielmehr führt die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Delikt, die Verantwortungsübernahme und die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Straftat auf das Opfer zu weniger Rückfällen.

Über die/den Autor:in
Maria Renner

Maria Renner ist seit 2022 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins und ist Ansprechpartnerin für sämtliche NEUSTART Publikationen, unter anderem unseren Jahresbericht „Report“.

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