Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche:r Bewährungshelfer:in?
Mein Name ist Marion Eberl, ich bin 52 Jahre alt und seit 2016 als ehrenamtliche Bewährungshelferin in Linz tätig. Ich lebe in Leonding, in der Nähe von Linz.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Während meines berufsbegleitenden Studiums der Sozialarbeit an der FH Linz habe ich ein Praktikum bei NEUSTART in Wels gemacht und bin danach in Linz als Ehrenamtliche eingestiegen. Was mir am besten gefällt, ist gar nicht so leicht zu sagen. Einerseits – und vor allem – das Eintauchen in Lebenswelten, die mir selbst fremd sind. Ich werde immer wieder mit Lebensgeschichten konfrontiert, die sehr vielfältig aber auch schwierig sind. Was das angeht, ist die Dauer der Betreuung von Vorteil, weil die Beziehung über einen Zeitraum von mehreren Jahren aufgebaut werden kann. Man hat Zeit für vermeintliche Rückschläge, die sich im Nachhinein oft als notwendig für die weiteren Schritte entpuppen. In der Bewährungshilfe nimmt man teil an einer Entwicklung und geht einen Teil des Weges gemeinsam mit der:dem Klient:in. Andererseits schätze ich auch den Abschluss einer Betreuung sehr, wenn man gemeinsam zurückschaut und sieht, was gelungen ist.
Und was machst du hauptberuflich?
Im Hauptberuf bin ich Geschäftsführerin einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe in Linz.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
In meinem Hauptberuf bin ich mittlerweile weg von der direkten Arbeit mit Klient:innen, die ich aber durchaus vermisse. Bei NEUSTART habe ich die Möglichkeit, nach wie vor mit Klient:innen zu arbeiten. Außerdem habe ich durch die Tätigkeit in der Wohnungslosenhilfe fachliche Kenntnisse, die in der Unterstützung im Bereich der Bewährungshilfe hilfreich sind, weil Wohnungslosigkeit und Straffälligkeit leider manchmal Hand in Hand gehen.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Mein Umfeld weiß, dass mir soziale Themen wichtig sind, aber von selbst erzähle ich selten über die Bewährungshilfe. Gespräche darüber ergeben sich normalerweise nur, wenn die Themen Straffälligkeit oder Straffälligenhilfe in den Medien thematisiert werden.
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Aktuell zwei Frauen mit unterschiedlichen Delikten.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Nein, das kann ich so nicht sagen. Das verändert sich auch im Laufe der Zeit. Als ich hauptberuflich noch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig war, war es mir wichtig, in der Bewährungshilfe keine Jugendlichen oder jungen Erwachsenen zu betreuen. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Wichtig ist mir, dass ich im Vorfeld – das heißt bevor ich eine:n Klient:in übernehme – gut nachdenke, ob es bei einem Thema irgendetwas gibt, das eine professionelle Begleitung erschwert.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Am Beginn einer Betreuung vereinbare ich die Treffen grundsätzlich in der NEUSTART Einrichtung. Hier kann man den Rahmen, in dem man zusammenarbeitet, gut abstecken, hat Ruhe und eine professionelle Atmosphäre. Danach verlagere ich die Termine aber bald auf andere Orte, die praktikabel sind. Das hängt immer vom Thema und von der Person ab und davon, was für die Person selbst passt. Für manche Klient:innen ist es gar kein Problem, sich in einem Lokal zu treffen, für andere ist das gar nicht vorstellbar. Das respektiere ich. Auch Hausbesuche sind durchaus üblich. Spazierengehen schätze ich grundsätzlich sehr oder setzte es auch bewusst ein, wenn etwas in Fluss kommen soll. Eine typische Betreuungssituation gibt es aus meiner Sicht nicht. Weder vom räumlichen Setting her noch von der Methodik.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Den Zwangskontext sehe ich als besondere Herausforderung. Die wenigsten Klient:innen sind erfreut darüber, in der Bewährungshilfe begleitet zu werden. Hier eine Compliance und ein Arbeitsübereinkommen zu schaffen, das einerseits dem gerichtlichen Auftrag Rechnung trägt und andererseits auch aus Sicht der begleiteten Person sinnvoll ist, kann fordernd sein und braucht manchmal Geduld.
Das Thema Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln kehrt immer wieder und ist in der Deliktverarbeitung von großer Bedeutung. Anderen die Schuld zu geben, scheint für viele Klient:innen leichter, als sich einzugestehen, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen und selbst verantwortlich für ihr Tun sind. Auch hier zieht man oft einige Runden und braucht einen langen Atem, bis eine Veränderung erkennbar ist.
Die Unverlässlichkeit mancher Klient:innen kann ebenfalls herausfordernd sein. Im Ehrenamt ist es ja Freizeit, die man für einen Termin reserviert und da merke ich schon, dass ich manchmal verärgert bin, wenn mich ein:e Klient:in wieder einmal versetzt.
Es kommt natürlich auch vor, dass Klient:innen wieder straffällig werden und ich mich frage, was vielleicht in der Betreuung falsch gelaufen ist oder ob ich etwas übersehen habe.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Oft sind es Kleinigkeiten. Wenn zum Beispiel, nach einem holprigen Start einer Betreuung, Termine auf einmal verlässlicher wahrgenommen werden. Oder wenn ein:e Jugendliche:r, nach langem Hin und Her, auf einmal mit einer Lehre beginnt, wenn also vereinbarte (Teil-)Ziele erreicht werden. Wenn ein Abschluss ohne weitere Straffälligkeit gelingt, ist das ein schönes Gefühl für einen selbst, aber vor allem für die Person, die das geschafft hat.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Bewegung tut immer gut, manchmal nur ein Spaziergang zwischendurch. Im Sommer bin ich gerne am Wasser, vorzugsweise am Traunsee. Und ich bin leidenschaftliche Schifahrerin.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Die Arbeit mit Menschen ist nicht nur von gesellschaftlicher Bedeutung, sondern auch unglaublich bereichernd und abwechslungsreich. Wer in andere Lebenswelten eintaucht, kann viel über sich selbst lernen.