Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Mein Name ist Roswitha Steger. Ich bin 85 Jahre alt und seit 1984 in der Region Bregenz ehrenamtlich bei NEUSTART Vorarlberg tätig.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Ich war 22 Jahre lang als Sozialarbeiterin beim Verein DOWAS (Anmerkung: Hilfe für wohnungs- und arbeitssuchende Menschen) tätig. Einige unserer Bewohner:innen waren gleichzeitig Klient:innen von NEUSTART. Ich kannte die Bewährungshilfe also aus der Zusammenarbeit in meinem Hauptberuf und wollte meine Klient:innen auch nach meiner bezahlten Arbeitszeit unterstützen.
Und was machst du hauptberuflich?
Inzwischen bin ich Pensionistin und immer noch vielseitig beschäftigt.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und früherer Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Ganz allgemein ergänzen sich das Haupt- und das Ehrenamt bei NEUSTART gut. Die Ehrenamtlichen profitieren zum Beispiel vom Rechtswissen der Hauptamtlichen und manchmal ist es auch umgekehrt. Für mich ist wichtig, dass das Klima im Team harmonisch ist, dass uns die Hauptamtlichen Hilfe und Verständnis entgegenbringen, dass wir uns gegenseitig verstehen – das ist in unserm Team bestens gegeben! Das gilt auch für die Einrichtungsleitung.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Wenn ich davon erzähle, lasse ich Vorsicht walten – im Sinne der Verschwiegenheitspflicht. Ich bekomme zwar sehr viel Lob und Ansehen für meine ehrenamtliche Tätigkeit, Einige können aber gar nicht verstehen, dass ich „diese Menschen“ betreue. Manche sparen nicht mit Kritik…
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Eine Frau.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
In der DOWAS WG hatte ich vorwiegend mit jüngeren Menschen zu tun. Vorübergehend habe ich auch eine Frau begleitet, bei der ich überzeugt bin, dass sie aus ihrer Straffälligkeit viel gelernt hat und keine Gefahr für einen Rückfall besteht. Es ist in meiner ganzen Laufbahn nur einmal vorgekommen, dass ich abgelehnt habe, eine Klientin weiter zu betreuen, weil sie mich wirklich Tag und Nacht beschäftigt hat…
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Ich nehme mir einmal im Monat Zeit für meine Klientin und manchmal telefonieren wir. Wir treffen uns bei ihr zuhause oder im Kaffeehaus, allerdings nie in meiner Wohnung. Etwas, das mir ganz wichtig ist, ist Klient:innen ihre Würde zu lassen, ihnen gegenüber niemals überheblich zu sein.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Das ist ganz unterschiedlich. Seitens der Klient:innen sind es oft die Arbeitssuche oder das Behalten des Jobs, Drogen- und Alkoholtherapien, das Ernstnehmen der Termine, die Einhaltung von Ratenzahlungen, das Finden einer Unterkunft und überhaupt der Umgang mit Konsequenzen. Wir Ehrenamtlichen müssen in der Beziehungsarbeit Geduld aufbringen –auch im Umgang mit Angehörigen. Herausfordernd finde ich auch Gefängnisbesuche und sich das notwendige Rechtswissen anzueignen.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Manchmal treffe ich Klient:innen nach dem Ende der Betreuung und erkundige mich, wie es ihnen geht. Dabei sehe ich immer wieder, dass die Bewährungshilfe wirkt.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Ich arbeite viel ehrenamtlich, nicht nur bei NEUSTART, sondern auch im Vorstand des Vereins DOWAS. Ich bin Lehrwartin im Breitensport für Gymnastik mit Senior:innen und organisiere einmal monatlich ein Reparaturcafé. Außerdem bin ich seit 1995 in der grünen Stadtpolitik.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Wir helfen Menschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen. Es spricht für den Verein NEUSTART, dass ich in meinem Alter noch immer dabei bin, noch immer dabei sein darf.