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Drei Fragen an… Rudolf Müller

Hon.-Prof. Dr. Rudolf Müller ist Jurist und ehemaliger Verfassungsrichter. Er war Richter am österreichischen Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof und war langjähriger Vorsitzender im Vorstand/Aufsichtsrat von NEUSTART (früher „Verein für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit“). Müller ist Ehrenvorsitzender des Vereins NEUSTART.

Wie hat Sie Ihr beruflicher und privater Weg zu NEUSTART geführt?
Ich war gerade frisch ernannt als Hofrat am VwGH und aus meiner anwaltlichen Tätigkeit ausgeschieden, als ich von Caspar Einem gefragt wurde, ob ich an seiner Stelle in den Vorstand des „Vereins für Bewährungshilfe und Soziale Arbeit“ (VBSA) eintreten würde. Im Prinzip wartete ich ja auf irgendeine Gelegenheit, neben meinem Beruf auch ehrenamtlich tätig zu sein, wozu ich als Rechtsanwalt kaum Zeit hatte. Nach einem längeren Gespräch, in dem mir Caspar Einem seine Beweggründe, aus dem Vorstand auszuscheiden, erläuterte, sagte ich zu und wurde tatsächlich in der drauffolgenden Generalversammlung im April 1990 in den Vorstand gewählt, zum stellvertretenden Vorsitzenden bestellt und fand mich, als Mitglied des sogenannten ständigen Ausschusses, bei Herbert Leirer in der Hahngasse zum regelmäßigen Jour fixe wieder.

Was bedeutet die Mitgliedschaft bei NEUSTART für Sie persönlich?
Ich habe sehr schnell verstanden, wie schwer die Tradition und Geschichte beim (damals noch) VBSA wiegen, von der Revolte in Kaiserebersdorf angefangen über die grundsätzliche Reform des Umgangs mit (erst noch: Jugendlichen-)Strafbarkeit bis zu den Leitgestalten Christian Broda und Elisabeth Schilder, verkörpert durch den damaligen Geschäftsführer Herbert Leirer, und welche kreative Rolle der Verein in der zunehmenden Humanisierung des Strafvollzuges immer gespielt hat und erfreulicherweise weiterhin spielt. Zu meinen Anfängen steckte der außergerichtliche Tatausgleich noch in den Kinderschuhen, heute stehen wir bei einer umfassenden Straffälligenhilfe. Ich war sehr geehrt und erfreut, bei meinem – nicht ganz friktionsfreien – Ausscheiden als Vorsitzender des Aufsichtsrates zum Ehrenvorsitzenden ernannt zu werden. Ich habe die Zeit bei NEUSTART von 1990 bis 2012 als für mich sehr prägend empfunden und fühle mich immer noch als zugehörig und unseren gemeinsamen Ideen verbunden.

Welche Anekdote, welches prägende Ereignis verbinden Sie mit NEUSTART?
Mehrere Ereignisse fand ich besonders bewegend:

Da war einmal der randvolle Saal im Kongresshaus Margareten bei jener Generalversammlung, bei der unser langjähriger Vorsitzender Erwin Ringel, mit unglaublich langanhaltenden Standing Ovations, unter Tränen von vielen von uns verabschiedet wurde.

Ein Moment, der wahrscheinlich nur für mich als Arbeitsrechtler, und wahrscheinlich auch für den Betriebsrat, von besonderer Bedeutung war, war die Verleihung der Kollektivvertragsfähigkeit an den Verein, die es uns, als Folge der Emanzipierung vom Bundesministerium für Justiz, durch die Mithilfe von Bundesminister Nikolaus Michalek, ermöglichte, endlich unser damaliges wackliges „Betriebsvereinbarungs-Arbeitsrecht“ auf solide rechtliche Beine zu stellen.

Drei betriebliche Ereignisse würde ich als absolute Highlights bezeichnen: Da war einmal die Markenstrategie, die zur Umbenennung in „NEUSTART“ führte, eine Marke die heute als bestens eingeführt gelten kann. Damals hatten wir doch auch „ein bissl Knieschlottern vor dem eigenen Mut“, das zu tun.

Als Zweites würde ich die „freundliche Übernahme“ der Steiermark nennen, bei der wir unsere soziale Kompetenz einmal in eigener Sache unter Beweis stellen konnten. Der Anschluss der bis dahin direkt vom BMJ verwalteten Dienststellen der Steiermark ist ziemlich geräuschlos und weitgehend verletzungsfrei gelungen, worauf wir stolz sein können.

Ähnliches haben wir zu Beginn dieses Jahrtausends unter Beweis gestellt, als es gelang, im damals konservativ regierten Baden-Württemberg, nicht nur den Wettbewerb um den Modellversuch in Stuttgart und Tübingen gegen mächtige Konkurrenz zu gewinnen, sondern dann auch noch die Ausrollung unserer Art von Straffälligenhilfe über das gesamte deutsche Bundesland. Das war eine ebenso unglaubliche Management-Leistung der damaligen Geschäftsführung und ihres Teams, wie dann auch der rasche Aufbau unserer Strukturen in Baden-Württemberg und der Umstand, dass es damals gelungen ist, innerhalb von drei Jahren mehrere hundert ehrenamtliche Mitarbeiter:innen zu gewinnen – ein Novum in diesem Bundesland. Für mich war das ein absoluter Höhepunkt in meiner Zeit als Vorsitzender des Vorstandes, beziehungsweise dann des Aufsichtsrates. Dass die Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg zehn Jahre später durch eine linke Regierung wieder verstaatlicht wurde, während hierzulande im Gegenteil die Vereinslösung eine Leistung der politischen Linken gewesen ist, bleibt eine Groteske und ein Missverständnis.

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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