Zuletzt im Studio
Auf dem Weg zur Trainingsfläche sehe ich ein kleines Mädchen – geschätzt 5-6 Jahre alt – welches mich grüßt und mir schüchtern zuwinkt, bevor es sich wieder intensiv mit ihrem Malbuch beschäftigt.
Einige Minuten später finde ich mich bei den Geräten neben ihrem Vater wieder, der zwischen den Übungen ein Gespräch mit seinem Freund über seine Tochter führt.
„Manchmal frage ich mich, was ich da machen soll. Jetzt redet sie schon zurück wie ihre Mutter. Hat mir schon bei ihr damals gereicht, deswegen habe ich sie ja auch in den Wind geschossen. Wie soll ich ihr das nur abgewöhnen?“
Der Freund darauf antwortend:
„Die Wei… sind halt von Natur aus so. Da musst du strenger sein und es ihr jetzt schon abgewöhnen!“
So irritierend das Gespräch aufs erste im Alltag scheint, so häufig ist diese Haltung leider – teils anders formuliert – in vielen Klientengesprächen in der Gewaltpräventionsberatung, Bewährungshilfe oder Anti-Gewalt-Training präsent.
Teils ist sie in Extremform der Ausdruck einer Misogynie, oftmals aber auch Ausdruck des sozialisierten Männlichkeitsbildes in Verbindung mit unterentwickelten Möglichkeiten der Selbstreflexion, sowie Minderwertigkeitsempfinden bei Konflikten und Herausforderungen durch kaum vorhandenes Repertoire zur Diskussion und Problemlösung.
Was kann man da machen, wie kann man als Berater:in intervenieren?
Erstens ist eine Grenzsetzung, sprich Normverdeutlichung wichtig. Es gehört klar rückgemeldet, was als grenzüberschreitend gesehen und wahrgenommen wird, und warum. Es sollte auch klar definiert werden, welche Ausdrücke und Beschreibungen im Gespräch akzeptabel sind und welche nicht. Denn Gewalt fängt schon im gesprochenen Wort an. Hierbei geht es weniger um Verbote, sondern um ein Bewusstwerden von den Auswirkungen des Gesprochenen.
Zweitens ist es wichtig, die Hintergründe der Einstellung in Erfahrung zu bringen und die diesbezüglichen Auslöser. Ist es kurz gesagt Angst, Überforderung, Hass oder etwas anderes? Je nachdem muss der/die Berater:in anders ansetzen, um diese Punkte zu bearbeiten. Besonders herausfordernd ist hierbei, dass es zumeist nicht um die Ratio geht, sondern um Emotionen und Gefühle, die zumeist noch dazu verleugnet oder verdrängt werden. Gelingt hier der Zugang, sind die Chancen auf eine positive Entwicklung gut, denn nur die wenigsten Gewalttäter finden sich im pathologischen Bereich wieder.
Wie ging es übrigens mit dem Vater im Studio weiter?
Ich mischte mich in das Gespräch ein mit dem Hinweis, dass es in diesem Alter normal ist Fragen zu stellen und konträre Haltungen zu Eltern einzunehmen. Damit sei sie auf einem guten Weg in der Entwicklung zu einem selbstständigen Charakter. Außerdem ist es ein Ausdruck einer gefestigten Männlichkeit, wenn man verschiedene Meinungen und Positionen in Beziehungen lebt.
Diskussion erfolgte leider keine, da er mit rotem Kopf – nicht vom Training – davon ging. Aber ich hoffe, dass er über seine Einstellung nachzudenken beginnt, alleine schon seine Tochter hätte es für ihre weitere Zukunft verdient.