Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Mein Name ist Sylvia Mayer-Leitinger, ich bin 45 Jahre alt, verheiratet, habe drei Kinder und bin seit circa 10 Jahren in der ehrenamtlichen Bewährungshilfe im Raum Schwaz tätig.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Ich habe damals, neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit im Bankwesen, aus Interesse Erziehungswissenschaften studiert und wollte nach meinem Studienabschluss gerne in diese Richtung „etwas machen“. Etwas Soziales sollte es sein, etwas, das ich neben meinem Hauptberuf machen kann. Zufällig bin ich dann auf den Verein NEUSTART gestoßen und das war der Startschuss für meine neue Aufgabe in der Bewährungshilfe.
Und was machst du hauptberuflich?
Ich leite die Bibliothek & Ludothek in Vomp und engagiere mich für eine lebendige Literaturvermittlung an Kinder.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Nun ja, grundsätzlich sollte man für beides – meinen Hauptberuf und das Ehrenamt bei NEUSTART – den Menschen zugewandt sein und ein soziales Interesse haben. Man muss sich für beides auf andere Menschen einlassen können und bereit sein, sich ihre Geschichten anzuhören. Ein Misanthrop wird sich in beiden Bereichen eher schwertun.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Weil ich ja schon länger in der Bewährungshilfe tätig bin, ist das für mein alltägliches Umfeld nichts Außergewöhnliches. Allgemein wird meine ehrenamtliche Arbeit als sehr positiv wahrgenommen.
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Ich betreue fast immer fünf Klient:innen, aktuell sind es auch fünf.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Ich betreue vorwiegend männliche Jugendliche und junge Erwachsene. Oft nimmt man ja auch das eigene familiäre Umfeld in einem gewissen Maß in die Betreuungsarbeit mit – bei mir ist das gerade bei Jugendlichen der Fall und vor allem dann, wenn sie noch zuhause wohnen. Das System Familie ist ja in vielfältiger Weise ausschlaggebend für die unterschiedlichsten Lebensbiografien. Ich habe einen guten Draht zu jungen Menschen. Ihnen Perspektiven für ein Leben ohne Kriminalität aufzuzeigen, ist für mich eine wesentliche Säule im gemeinsamen Arbeitsprozess. Die Deliktbreite umfasst bei meinen Klient:innen in erster Linie Betrug, gefährliche Drohung, Suchtmittel und Körperverletzung.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Grundsätzlich steht bei den ersten Terminen das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund, Vertrauen muss aufgebaut werden, die Rahmenbedingungen für das gemeinsame (Auf-)arbeiten müssen für beide Seiten klar sein. Erst dann kann man konstruktiv in den Arbeitsprozess einsteigen.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Die Bereitschaft, sich auf die Bewährungshilfe einzulassen ist nicht immer gegeben. Es gibt einfach Klient:innen, die die Sinnhaftigkeit dieses gemeinsamen Prozesses in Frage stellen und meinen, dass sie das „eh nicht brauchen”. In der Rückschau erweist sich die Zeit der Bewährungshilfe aber meistens als sinnvoller erster Schritt hin zu einem Perspektivenwechsel. Es gibt aber auch Fälle, wo die Bewährungshilfe an ihre Grenzen stößt. Auch das muss man akzeptieren und darf es nicht als persönliches Scheitern ansehen.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
In erster Linie, wenn es zu keinem neuen Delikt kommt. Aber auch daran, dass sich die Tages- und Lebensstruktur der Klient:innen stabilisiert und verbessert. Ich kann zwar nur unterstützend und begleitend agieren, aber gerade das ist für viele Klient:innen immens wichtig.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Meine Zeit ist mit Familie, Job und Ehrenamt gut ausgefüllt. Ich habe keine freie Zeit.
Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Die Arbeit mit Straffälligen ist herausfordernd, spannend, manchmal schwierig, immer wieder auch emotional. Wie ich eingangs erwähnt habe, sollte man die Bereitschaft zeigen, sich Geschichten anzuhören, Menschen mit Interesse zu begegnen und ihnen zugewandt zu bleiben. Wertfrei. Hinter jedem Delikt steht ein Mensch, oftmals auch ein Opfer, immer aber eine Straftat. That‘s it!