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#TeamNEUSTART: Josef Wieser

Josef Wieser ist erst seit 2021 dabei, bringt durch seinen Hauptberuf – wo er ebenfalls Sozialarbeiter ist – aber bereits viel Erfahrung und eine reflektierte Perspektive auf die Bewährungshilfe mit…

Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtlicher Bewährungshelfer?
Mein Name ist Josef Wieser, die meisten kennen mich aber als Josy. Ich bin 37 Jahre alt und seit Juni 2021 bei NEUSTART Tirol in Innsbruck.

Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Weil ich gerne Menschen in besonderen Lebenssituationen unterstütze. Der Weg aus der Straffälligkeit ist so eine besondere Lebenssituation. Ich möchte meinen Klient:innen Zuversicht, Hoffnung und Ausblick geben, ihnen Möglichkeiten aufzeigen. Es fasziniert mich, die Menschen hinter ihrer Straftat zu sehen. Wenn ich sie auf ihrem Weg begleite, entdecke ich auch für mich immer wieder neue Perspektiven. Man muss sich als Ehrenamtliche:r schon vor Augen führen, dass auch die eigene Persönlichkeitsentwicklung profitiert. Dadurch habe ich mir sicher schon das eine oder andere Coaching erspart (lacht) – nicht zuletzt durch die ganze Palette an Fortbildungen, die wir bei NEUSTART genießen und wegen der Expertise der wunderbaren Menschen, die hier arbeiten. Wir können hier sehr selbstständig arbeiten, das ist bei anderen sozialen Einrichtungen im Ehrenamt nicht in dieser Form möglich. Ich sehe das Ehrenamt auch als Lernraum, wenn „etwas passiert“ unterstützt mich meine Teamleitung und steht mit Rat und Tat zur Seite. Im Hauptjob muss man ganz anders „funktionieren“…

Und was machst du hauptberuflich?
Ich bin auch im Hauptberuf Sozialarbeiter und als Jugendcoach im ländlichen Bereich, im Bezirk Schwaz, tätig. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Ausbildung und Beruf.

Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Ja auf jeden Fall, das gestehe ich mir auch ein, obwohl ich mich natürlich bemühe, beides fachlich sauber zu trennen. Ich wurde beim Einstellungsgespräch sogar gefragt, ob ich ehrenamtlich auch in erster Linie Jugendliche begleiten möchte. Für mich ist das aber kein Ausschlusskriterium, weil für mich der Mensch, unabhängig vom Alter, zählt. Ich merke aber schon, dass es sich gerade bei jungen Klient:innen gut ergänzt.

Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtlicher Bewährungshelfer bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
Viele sind ganz erstaunt, dass ich auch in meiner Freizeit mit Klient:innen arbeite, gerade Leute, die selbst im Sozialbereich tätig sind und viel Wert auf die Abgrenzung von Beruf und Privatleben legen. Viele machen ja etwas ganz anderes als Ausgleich: Sport, Musik, … Wobei ich sagen muss, dass ich als Rollstuhlfahrer da ohnehin nicht aus dem Vollen schöpfen kann. Für mich ist das Ehrenamt ein sehr lebendiger Ausgleich.

Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Vier. Ich warte aber schon sehnsüchtig auf die:den Fünfte:n (lacht).

Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Nein, das möchte ich wirklich in aller Deutlichkeit sagen. Ich will nicht nach Delikt- oder Menschentypen unterscheiden. 40-jährige können genauso Fehler machen wie 16-jährige, sich genauso „kindisch“ verhalten… Beide können vor ähnlichen Problemen stehen. Je bunt gemischter, desto mehr ist man gefordert, desto weniger verfällt man in Routine, in einen Trott. Neue Herausforderungen finde ich immer reizvoll. Natürlich kann ich, aufgrund meines Hauptberufs, gut mit Jugendlichen… Aber: Auch jede:r Jugendliche ist anders.

Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Schon unterschiedlich. Einen Klienten treffe ich zum Beispiel auch im Kaffeehaus, die anderen meistens im Büro. Dieser Rahmen kommt bei ihnen aber eigentlich auch gut an. Ich muss nicht auf „Best Friends“ mit ihnen bergsteigen gehen… Termine detailliert vorzuplanen ist nicht so meine Spezialität, ich gestalte sie lieber situationsabhängig und individuell. Jede:r Ehrenamtliche findet da einen Zugang, der der eigenen Lebenswelt entspricht. Das ist ja das Schöne bei NEUSTART.

Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Wenn jemand total in die Blockade geht, eigentlich gar nicht da sein will und auf alle Fragen ablehnend reagiert. In meinem Hauptjob kommen die Klient:innen freiwillig, bei NEUSTART müssen sie. Ich bin aber überhaupt kein Gegner von diesem Zwangskontext, weil ich hier viel mehr in die Beziehungsarbeit investieren muss. Davon profitiere ich auch privat, weil ich lerne, Beziehungen nicht vorschnell abzubrechen. Ich kann ja nicht einfach alle zwei Monate Klient:innen wechseln, sondern muss dranbleiben, darf meine Klient:innen nicht aufgeben.

Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Für diese Frage bin ich vielleicht noch etwas zu kurz dabei… ich glaube aber schon, dass Beziehung Menschen verändern kann. Viele sind am Anfang ganz verschlossen und im Widerstand – nach und nach bauen sie aber Vertrauen auf und sehen, dass sie wirklich mit mir reden können. Mir kommt vor, dass mein Rollstuhl hier manchmal sogar ein Hilfsmittel ist. Ich stehe, rein körperlich, nicht über ihnen und schaue auf sie herab, sondern sitze sogar eine Ebene drunter, das eröffnet ihnen – durch mich – wieder eine ganz andere Perspektive, einen anderen Blick aufs Leben.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Ich mache Gesangsunterricht, Stimmbildung und singe im Chor. Außerdem bin ich in einer katholischen Gemeinschaft aktiv. Im Gemeinschaftsleben suche und finde ich meinen Ausgleich.

Gibt es sonst noch etwas, das du mit unseren Leser:innen teilen möchtest?
Ich möchte dazu ermutigen, sich auch selbst ehrenamtlich zu engagieren. Wir müssen uns davon verabschieden, zu glauben, dass man im Ehrenamt nur gibt und uns bewusst sein, dass wir von den Menschen, mit denen wir arbeiten, viel zurückbekommen. Von der Aufarbeitung der Dinge, die unser Gegenüber durchlebt hat, profitieren wir auch selbst. Das soll auch ein bisschen ein Appell und ein Wachrütteln sein – ein Gegenpunkt zu unserer individualistischen Gesellschaft.

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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