Den Anfang stellte 2017 eine Zusammenarbeit mit der niederländischen Bewährungshilfe „Reclassering“ dar, wo es ein sehr striktes System der Betreuung gibt: Jeweils in Zweierteams werden landesweit alle extremistischen Straftäter:innen von der eigenen Bewährungshilfe-Einheit „TER“ betreut. Als Folge dieses spannenden Austauschs entstand der Wunsch, Erfahrungen aus Belgien, Deutschland (vertreten durch den ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen), Österreich und den Niederlanden unter Expert:innen vertieft auszutauschen. Die Idee eines zweitägigen Treffens zum Lernen aus guter Praxis war geboren. Diesen Juni war es schließlich soweit und wir durften Vertreter:innen unserer europäischen Partnerorganisationen in der NEUSTART Vereinszentrale in Wien begrüßen.
Beim Treffen im Juni hatte jedes Land einen Halbtag, um ein gutes Praxisbeispiel zu präsentieren und anschließend zu diskutieren. Es wurde deutlich, dass sich die Problematiken in den unterschiedlichen Ländern ähnlich darstellen: Richtige Balance zwischen Kontrolle und Unterstützung, intensive Arbeit, Risikoeinschätzung, Unterstützung durch religiöse Expert:innen, Netzwerkarbeit, Austausch und Fallkonferenzen, Problematik internationaler Netzwerke und repressive Abschiebepraktiken.
Im Wesentlichen wurde deutlich, dass die Niederlande und Belgien eher den Weg gehen, sich mit den Sicherheitsbehörden wechselseitig über vorhandene Informationen austauschen. In Holland geschieht das in Form von „Safety Houses“, sprich Fallkonferenzen in den Gemeinden. In Belgien gibt es eine gemeinsam genutzte Datenbank. Deshalb war das Interesse am neuen Instrument der Fallkonferenzen in Österreich groß. Wichtige Themen des Austauschs waren auch die Risikoeinschätzung, das Übergangsmanagement vom Vollzug zur Bewährungshilfe und das deutsche Modell der Führungsaufsicht.
Am Ende der Tagung im kleinen Rahmen, die von allen Beteiligten als sehr informativ und nützlich erlebt wurde, stand folgende Erkenntnis: Es lohnt sich, sich vertieft über Themen auszutauschen. Selbst wenn wir auf den ersten Blick glauben, das Gleiche zu meinen, stellt sich in der Analyse der Abläufe heraus, dass es spannende Unterschiede in der Praxis gibt, die zur Weiterentwicklung anregen. Der gemeinsame Wunsch nach einer Fortsetzung dieses Austausches schloss das Treffen ab.
Mag. Bernhard Glaeser leitet den Zentralbereich Sozialarbeit bei NEUSTART.