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#TeamNEUSTART: Wolfgang Pühringer

Dieses Mal stellen wir einen Kollegen vor, dessen berufliche Laufbahn bei NEUSTART bereits 1981 als Ehrenamtlicher begonnen hat. Wolfgang Pühringer geht Ende November in Pension. Er hat in seiner Zeit als Sozialarbeiter viel erlebt und würde sich wieder für einen Job bei NEUSTART entscheiden…

Bitte stell dich kurz vor
Mein Name ist Wolfgang Pühringer, ich bin 62 Jahre alt und wohne in Garsten bei Steyr.

In welcher NEUSTART Einrichtung und welchem Bereich arbeitest Du?
Ich arbeite bei NEUSTART Oberösterreich in Steyr und mache Bewährungshilfe und Anti-Gewalt-Trainings. Außerdem leite ich ein Team Ehrenamtlicher und betreue Klient:innen im elektronisch überwachten Hausarrest und der Haftentlassenenhilfe.

Seit wann bist du bei NEUSTART?
Als Hauptamtlicher seit 1983, ich habe mich davor aber bereits zwei Jahre lang ehrenamtlich engagiert. Ich bin, als einer der letzten NEUSTART Mitarbeiter:innen, Beamter.

Gibt es so etwas wie einen typischen Arbeitstag für dich? Falls ja, wie sieht dieser aus?
Wann immer es geht, fahre ich mit dem Rad in die Arbeit. Nur wenn ich Außendiensttermine wahrnehmen muss oder es wirklich stark regnet, steige ich aufs Auto um. Ich bin normalerweise der erste im Büro, weil ich gerne schon um 7 Uhr anfange. Zuerst bearbeite ich meine Nachrichten und die DOKU, danach treffe ich – wenn ich nicht im Außendienst im Gebiet Kirchdorf bin – meine Klient:innen aus Steyr und Umgebung, die meisten davon kommen ins Büro. Einmal die Woche mache ich Haftentlassenenhilfe in der Justizanstalt Garsten. Punktuell fallen außerdem Behörden- und Gerichtstermine an.

Warum hast du dich für NEUSTART als Arbeitgeber entschieden?
Nachdem ich 1980 von einem Lehramtstudium an die Sozialakademie gewechselt habe, habe ich dort gefragt, wo man sich im Bereich Sozialarbeit ehrenamtlich engagieren kann. So bin ich auf NEUSTART Linz gekommen. Damals wurde die Haftentlassenenhilfe gerade erst aufgebaut und diese Projektentwicklung von der ersten Stunde an mitzubekommen hat mir einfach getaugt. Ich habe gleich gemerkt, dass mich unser vielfältiger Aufgabenbereich sehr interessiert. Nach meinem Abschluss habe ich mich dann als Hauptamtlicher beworben und den Job bei NEUSTART Steyr bekommen.

Was gefällt dir an deiner Arbeit am besten?
Bei uns gibt es wenig Leerlauf – und zwar im positiven Sinn: Der Großteil der Arbeitszeit ist interessant, abwechslungsreich und sinnvoll. Natürlich wurden die Dokumentationspflichten mit den Jahren nicht weniger aber das gehört in einem sensiblen Bereich wie unserem offenbar dazu – da möchte ich nicht jammern. Mir wurde in meinen 40 Jahren bei NEUSTART jedenfalls nie fad. Die Aufgabenstellungen durch die Klient:innen sind jedes Mal neu. Jeder Mensch, jede Problemstellung ist anders. Die Vielfalt der Aufgaben gefällt mir gut. Außerdem ist klasse, dass man sich fachlich immer weiterentwickeln kann.

Was sind die größten Herausforderungen in deinem Job?
Die Problemlagen der Klient:innen. Es ist oft schwierig, die Anzahl der „Baustellen“ und Größe der Schwierigkeiten mit ihnen gemeinsam zu bewältigen. Was auf jeden Fall immer zutrifft ist, dass unsere Arbeit sinnvoll und notwendig ist. Es ist immer eine Win-Win-Situation: Die Klient:innen profitieren ebenso wie die Gesellschaft, weil weitere Opfer vermieden werden. Ich möchte nicht kitschig klingen aber unsere Arbeit wirkt, selbst wenn es das Gericht nicht immer so sieht. Davon bin ich auch heute, nach 40 Jahren, noch überzeugt. Eine besondere Herausforderung, und es gibt nur wenige Jobs auf die das zutrifft, ist, dass wir ständig gegenteilige Pole der Gesellschaft kontaktieren und verbinden müssen. Wir leisten „Übersetzungsarbeit“ indem wir von der „grindigsten Giftlerwohnung“ zum Landesgericht gehen und zwischen diesen beiden Welten vermitteln. Es scheint schon eine besondere Fähigkeit und Kompetenz zu sein, diesen Transfer zu bewerkstelligen.

Wo hast du gesehen, dass deine Arbeit etwas bewirkt?
Dass meine Arbeit wirkt, erkenne ich an verschiedenen Dimensionen. Etwa daran, dass sich der Selbstwert der betreuten Personen verbessert. Oft ist ihr Bild von sich selbst familiär stark vorbelastet und erst in der Betreuungssituation wird ihnen klar, dass sie weiterkommen können, als es ihr Umfeld denkt oder ihnen vorlebt. Viele entwickeln mehr Selbstsicherheit und schaffen es endlich, zum Beispiel schwierige Themen am Arbeitsplatz anzusprechen. Es freut mich zu sehen, wenn Klient:innen Klarheit und eine „Linie“ finden, wodurch sie verlässlicher und kompetenter werden – wenn es zum Beispiel darum geht, Schulden zu regeln und Vereinbarungen einzuhalten. Für viele Klient:innen ist der Kontakt mit NEUSTART die erste Betreuungssituation, in der sie offen über Probleme sprechen können. Bei uns lernen sie wie das überhaupt geht – die meisten hätten sich freiwillig niemals Hilfe gesucht. Sie beginnen ihre Beziehungen ernst zu nehmen und zu festigen, voraus zu denken und Ziele zu verfolgen. Es kommt vor, dass die Frage nach den persönlichen Zielen beim ersten Kennenlernen staunend mit „das hat mich noch nie jemand gefragt“ beantwortet wird. Umso schöner ist, wenn diese im Lauf der Betreuung dann tatsächlich verwirklicht werden. Deutlich wird auch, dass unsere Arbeit etwas bewirkt, wenn sich die Klient:innen im Rahmen der Deliktverarbeitung und Schadenswiedergutmachung ihrer Verantwortung stellen und mit uns gemeinsam dort hinschauen „wo es wehtut“.

Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job?
Das wichtigste ist eine echte Work-Life-Balance. Trotz oder gerade weil unser Job oft auch stressig ist. Man muss das richtige Maß zwischen Belastung und Abgrenzung finden, das gilt generell für die Sozialarbeit – hätte ich das nicht gelernt, würde ich nach 40 Jahren nicht mehr hier sitzen. Gleichzeitig darf man aber auch nicht gleichgültig oder oberflächlich werden – diese Gefahr sehe ich bei unserer Arbeit aber eh kaum. Natürlich gehört dazu auch, seine Hobbies zu pflegen. Für mich sind das die Musik, mein Rad und der Garten. Außerdem engagiere ich mich in der Kirche und habe sechs Enkelkinder, die mich auf Trab halten – das ist die beste Demenzvorbeugung (lacht).

Über die/den Autor:in

Laura Roth ist seit 2019 Teil des Kommunikations-Teams des Vereins NEUSTART. Ihre Schwerpunkte sind die interne Kommunikation und unsere Newsletter. In unserer Serie #TeamNEUSTART holt sie regelmäßig Kolleg:innen aus ganz Österreich vor den Vorhang

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