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2.12 Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests

Der Freiheitsstrafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest hat sich als seit dem Jahr 2010 im Strafvollzugsgesetz (StVG) vorgesehene Vollzugsform unbestritten bewährt und eignet sich für eine häufigere und breitere Anwendung, wofür die im Folgenden vorgeschlagenen Adaptierungen erforderlich erscheinen.

Ausweitung der Anwendung auch auf längere Freiheitsstrafen

Die Anwendbarkeit von elektronisch überwachtem Hausarrest sollte auf voraussichtlich 24 Monate nicht übersteigende Strafzeiten ausgeweitet werden.

Vorschlag

Änderung von § 156c Abs. 1 Z 1 StVG dahingehend, dass die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit 24 Monate nicht übersteigt oder voraussichtlich nicht übersteigen wird.

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Mittlerweilen ist die Vollzugsform eüH bereits so häufig angewendet worden, dass ausreichend breite positive Erfahrungen vorhanden sind (insbesondere die geringe Widerrufsquote), die die vorgeschlagene Ausweitung auf längere Freiheitsstrafen rechtfertigen. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem elektronisch überwachten Hausarrest eine Form des Freiheitsstrafvollzugs geschaffen wurde, die sich so weit wie möglich auf den Kern dieser Strafe – den Entzug der persönlichen Freiheit – beschränkt, ohne jedoch die soziale Existenz der Verurteilten zu zerstören. Kritiker:innen, denen das Strafübel dieser Vollzugsform zu gering erscheint, ist entgegenzuhalten, dass von den Häftlingen besonders das Leben inmitten von Menschen, die in ihrer persönlichen Freiheit keiner Einschränkung unterliegen, als sehr belastend (teilweise belastender, als der stationäre Freiheitsstrafvollzug in einer Justizanstalt) erlebt wurde.

Verbesserung sozialrechtlicher Absicherung

Für eine Ausweitung der Möglichkeiten zur Erfüllung der Voraussetzungen in Bezug auf ausreichendes Einkommen sowie Sozialversicherungsschutz sind Anpassungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes erforderlich.

Vorschlag

Änderung von § 12 Abs. 6 lit. f) Arbeitslosenversicherungsgesetz, sodass diese Bestimmung künftig folgendermaßen lautet: „Als arbeitslos gilt jedoch, wer eine Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests gemäß § 156b Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes verbüßt oder in Untersuchungshaft als Hausarrest nach § 173a der Strafprozessordnung angehalten wird.“

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Da Voraussetzungen für elektronisch überwachten Hausarrest (eüH) unter anderem ein ausreichendes Einkommen sowie Sozialversicherungsschutz sind, wurde in diversen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (§ 89 ASVG, § 58 GSVG, § 54 BSVG, § 35 B-KUVG und § 25 NVG) eine Ausnahme vom Ruhen der Leistungsansprüche während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe geschaffen. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Bundesgesetz BGBl I Nr. 64/2010, mit dem der eüH eingeführt wurde, (GP XXIV RV 772) ist dazu auf Seite 11 Folgendes ausgeführt:
„Durch die vorgeschlagene Ausnahmeregelung soll sichergestellt werden, dass Personen, die ihre Freiheitsstrafe nicht in einer Vollzugsanstalt verbüßen, sondern in Form eines elektronisch überwachten Hausarrests (Fußfessel), weiterhin ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche lukrieren können. Im Unterschied zum Strafvollzug in einer Haftanstalt, in deren Rahmen sowohl die Unterbringung als auch die gesundheitliche Versorgung auf Kosten der Strafjustiz erfolgt und aus diesem Grund der sozialversicherungsrechtliche Leistungsanspruch ruht, erhalten Personen, deren Anhaltung mittels elektronisch überwachten Hausarrests vorgenommen wird, keine derartige Versorgung, sodass sie weiterhin auf die entsprechenden Versicherungsleistungen aus der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung angewiesen sind. Dem wird durch die vorgeschlagene Ausnahmeregelung bei der Bestimmung über das Ruhen bei Haft Rechnung getragen.“

Im Gegensatz zu den oben genannten Sozialversicherungsgesetzen wurde im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes nur eine partielle Ausnahme von dem in § 12 Abs. 3 lit. e) AlVG geregelten Grundsatz, wonach während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe keine Arbeitslosigkeit vorliegt und daher keinerlei Bezugsansprüche nach diesem Gesetz bestehen, gemacht. Nur dann, wenn das Arbeitsmarktservice eine Kursmaßnahme angeordnet hat, können auch während elektronisch überwachtem Hausarrest Leistungen bezogen werden (§ 12 Abs. 6 lit. f) AlVG). Dieser gesetzliche Rahmen wird überdies sehr restriktiv in die Praxis umgesetzt. Wenn vor Beantragung eines Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest noch keine Zuweisung in eine Kursmaßnahme erfolgt ist, wird eine Zuweisung bei bevorstehendem elektronisch überwachtem Hausarrest in der Regel versagt, obwohl eine Absolvierung der Kursmaßnahme während dieser Vollzugsform problemlos möglich wäre. Letztendlich wird dadurch in den relevanten Fällen ein ansonsten nicht erforderlicher stationärer Strafvollzug erzwungen, nach dessen Ende ohnedies wieder Bemühungen um Eingliederung in den Arbeitsmarkt gesetzt werden müssen; dann allerdings unter erschwerten Bedingungen. In ihrer Auswirkung nicht nachvollziehbar sind auch jene Fälle, in denen bereits ein Pensionsantrag gestellt wurde und als Überbrückung bis zu dessen Bewilligung ein Pensionsvorschuss nach § 23 AlVG ausgezahlt wird; dies aber wiederum nur in Freiheit und nicht während eüH.

Anzustrebende Form des Entlassungsvollzugs

Elektronisch überwachter Hausarrest eignet sich auch für die Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit gut und sollte daher als möglichst häufig anwendbare Form des Entlassungsvollzugs etabliert werden.

Vorschlag:

In den Bestimmungen zum Entlassungsvollzug (§§ 144 bis 147 StVG) soll eine Verpflichtung aufgenommen werden, zu Beginn des Entlassungsvollzugs von Amts wegen die Möglichkeiten eines weiteren Vollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest (eüH) zu prüfen und die Gefangenen bei der Vorbereitung der erforderlichen Voraussetzungen zu unterstützen. Zu überlegen wäre auch, im Entlassungsvollzug eüH bereits dann zuzulassen, wenn noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind, aber eine zeitnahe Erfüllung zu erwarten ist. Wenn beispielsweise die Voraussetzung einer geeigneten Beschäftigung noch nicht erfüllt ist oder die Zuverlässigkeit eines Gefangenen noch nicht ausreichend sicher beurteilt werden kann, könnte eine Beschäftigung in einem Arbeitstraining erfolgen.

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Derzeit werden häufig Personen mit einem hohen Rückfallrisiko und einer sehr hohen Anzahl an Vorstrafen erst mit Endstrafe entlassen (Hofinger 2017). Im Sinne der Rückfallprävention und Resozialisierung ist ein verbindliches Betreuungsangebot gerade dann notwendig, wenn aufgrund der negativen Zukunftsprognose und negativem Auffallen im Vollzug, die bedingte Entlassung aus Sicherheitsgründen abgelehnt wird. Durch die Anlegung einer Fußfessel und die Anwendung des eüH generell zum Ende jedes Freiheitsstrafvollzugs kann auch diese Personengruppe möglichst gut auf das Leben in Freiheit vorbereitet werden und an rückfallgefährdendem Verhalten gearbeitet werden.
Die Entlassung mit eüH wird während der Haft vorbereitet und die Beschäftigung und Wohnsituation abgeklärt. Falls keine reguläre Beschäftigung und Wohnversorgung gefunden werden kann, erscheint es sinnvoll, Kooperationen zu Beschäftigungsprojekten und Wohneinrichtungen auch für diesen Zweck zu nutzen. In diesen Fällen werden die betroffenen Personen in Beschäftigungsprojekten untergebracht und eine Weitervermittlung zum 1. und 2. Arbeitsmarkt (eventuell nach dem eüH) wird angestrebt.

 

Anpassungen der Zeiten außerhalb der Unterkunft

Nach einer Erprobungsphase sollten die Zeiten außerhalb der Unterkunft ausgeweitet werden.

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Insbesondere bei längerem eüH sollte es analog zu den Lockerungen im Vollzug, auch im Rahmen des eüH bei Wohlverhalten in der Vollzugsform zur verstärkten Verwendung von Zeiten außerhalb der Unterkunft kommen. Sinnvoll erscheint die Einrichtung einer Erprobungsphase von einigen Monaten. Wird diese Erprobungsphase ohne Vorkommnisse erledigt, soll es verstärkt zur Verwendung von Zeiten außerhalb der Unterkunft kommen. Vor allem bei längerem eüH ist sonst davon auszugehen, dass es verstärkt zu Abbrüchen und Krisen während des eüH kommt. Im Sinne der Resozialisierung erscheint es vor allem bei langem eüH sinnvoll, den betroffenen Personen den Aufbau und die Ausübung von Freizeitbeschäftigung zu ermöglichen.
Bereits in der vorigen Legislaturperiode wurde eine Ausweitung der Vollzugsform eüH im Entwurf einer StVG-Novelle 2019 (166/ME XXVI. GP) vorgeschlagen. Die Ausweitung auf Freiheitsstrafen bis zu 24 Monaten wird prinzipiell befürwortet und als sinnvoll erachtet. Gerade bei einer solchen Ausweitung müssen vermehrt Zeiten außerhalb der Unterkunft ermöglicht werden. Bei Annahme der bedingten Entlassung zur Halbstrafe könnte es bedeuten, dass Personen bis zu 48 Monate im eüH auf teilweise sehr engem Wohnraum angehalten werden. Das führt zu vermehrten psychischen Krisen für die betroffenen Personen, die bis zu Selbstgefährdung führen können.