Es darf weder dazu kommen, dass ein stationärer Strafvollzug nur deshalb notwendig wird, weil eine Therapieweisung nicht finanzierbar ist, noch dazu, dass eine spezialpräventiv erforderliche Therapieweisung wegen Unfinanzierbarkeit unterbleibt. Dafür müssen die in der aktuellen Gesetzeslage noch immer vorhandenen großen Lücken bei den Kostentragungsbestimmungen geschlossen werden.
Vorschläge
- Unter denselben finanziellen Voraussetzungen, die für die Beigebung einer Verfahrenshilfeverteidigung (§ 61 Abs. 2 StPO) sowie für das Absehen einer Eintreibung der Verfahrenskosten (§ 391 StPO) oder die Nachsicht eines Pauschalkostenbeitrages (§ 388 StPO) vorgesehen sind (das heißt Gefährdung von notwendigem Unterhalt und/oder von Schadenswiedergutmachung), soll auch eine (erforderlichenfalls volle) Kostentragung des Bundes für Weisungen vorgesehen werden.
- Mögliche Leistungsansprüche gegenüber einem Sozialversicherungsträger sollten an den Bund abgetreten werden.
- Derzeit bestehende Betragsbeschränkungen für eine Kostentragung sollen aufgehoben werden.
- Während einer stationären Therapie ist Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten.
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Generell ist davon auszugehen, dass eine Weisung dann erteilt wird, wenn dies spezialpräventiv notwendig ist, um einen Freiheitsentzug (oder ein Strafverfahren bei diversionellen Pflichten) zu vermeiden oder durch bedingte Entlassung vorzeitig zu beenden. Keinesfalls sollte bei Verurteilten, bei denen diese Voraussetzung gegeben ist, der (weitere) Freiheitsstrafvollzug nur deshalb erforderlich sein, weil sie sich die mit der Weisungserfüllung verbundenen Kosten nicht leisten können.
Derzeit gibt es jedoch nur in bestimmten Bereichen (§ 46 Jugendgerichtsgesetz, § 41 Suchtmittelgesetz und § 179a Strafvollzugsgesetz) Kostentragungsbestimmungen, die überdies subsidiär (Voraussetzung neben fehlenden Eigenmitteln: kein Anspruch aus Sozialversicherung vorhanden; nach § 41 SMG auch kein Anspruch gegenüber einem Sozialhilfeträger) und betragsbegrenzt (Kostenersatz maximal in jener Höhe, in der die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkäme) sind.
Mit diesen eingeschränkten Kostentragungsbestimmungen sind insbesondere folgende Probleme verbunden:
- In etlichen Regionen Österreichs können Weisungsadressat:innen eine Therapie nur auf dem freien Markt in Anspruch nehmen, da keine geförderten Therapieeinrichtungen im erreichbaren Umkreis vorhanden sind. Die Kosten dafür liegen jedoch weit über den aktuellen Höchstsätzen (22,- Euro pro Stunde) für eine Kostentragung des Bundes (sofern eine solche überhaupt möglich ist).
- Wegen der Subsidiarität der Kostentragung des Bundes können die weisungserteilenden Gerichte von Weisungsadressaten auch verlangen, dass sie die Durchsetzung eines Leistungsanspruchs gegenüber einem Sozialversicherungsträger betreiben, was einen nicht unbeträchtlichen Zeit- und Verfahrensaufwand mit ungewissem Verfahrensausgang bedeutet.
- Die Finanzierung von Weisungen, die unter keine der genannten Kostentragungsbestimmungen fallen, ist oft nur bei ausreichenden Eigenmitteln der Beschuldigten oder Verurteilten möglich.
Diese Finanzierungsprobleme führen in weiterer Folge dazu, dass entweder eine Weisung gar nicht erteilt werden kann (und die verhängte Freiheitsstrafe zu vollziehen ist), oder eine bereits erteilte (notwendige) Weisung nicht befolgt werden kann.
Im Rahmen des 2. Gewaltschutzgesetzes (BGBl I 2009/40) erfolgte zwar eine Änderung von § 179a StVG, die Klarstellungen dahingehend enthält, dass eine subsidiäre Kostentragungspflicht des Bundes auch für Leistungen besteht, welche die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter nicht zu erbringen hat. In den Erläuterungen wurde dazu ausgeführt, dass dadurch einem dringenden Bedürfnis der Praxis entsprochen und ein „garantierter Kostenträger“ sichergestellt werden soll. Abgesehen davon, dass sich § 179a StVG auf die Kostentragung bei bedingten Entlassungen und bedingte Nachsicht vorbeugender Maßnahmen beschränkt, kann auch in diesem Bereich keine Sicherstellung eines „garantierten Kostenträgers“ für die volle Kostenhöhe festgestellt werden.
Überdies häufen sich in der letzten Zeit Fälle, bei denen zwar die Finanzierung einer stationären Therapie gesichert werden kann, jedoch kein Krankenversicherungsschutz erlangt werden kann, weil sowohl seitens des Arbeitsmarktservices (Argument „steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“) als auch seitens der Mindestsicherungsbehörde (Argument „kein gewöhnlicher Aufenthalt im jeweiligen Bundesland“) Anspruchsgrundlagen abgelehnt werden.