Bitte stell dich kurz vor. In welcher Region und seit wann engagierst du dich als ehrenamtliche Bewährungshelferin?
Ich heiße Catrin Purkarth und bin 43 Jahre alt. Ich arbeite seit Mai 2024 als ehrenamtliche Bewährungshelferin bei NEUSTART Niederösterreich und Burgenland.
Warum hast du dich für dieses Ehrenamt entschieden? Was gefällt dir daran am besten?
Ich habe mich für die Bewährungshilfe hauptsächlich aus egoistischen Gründen entschieden. Zum einen hat mich die Arbeit mit delinquenten Personen immer interessiert und zum anderen lerne ich dabei Neues dazu und kann mich persönlich weiterentwickeln. Abgesehen davon finde ich, dass Menschen eine zweite Chance verdienen. Wenn man keine Idee oder Vision davon hat, was in Zukunft besser oder anders ein könnte, warum sollte man dann die Gegenwart ändern? Und ich bin diejenige, die solche Visionen diskutieren und aufzeigen kann.
Und was machst du hauptberuflich?
Hauptberuflich arbeite ich im FAB Jugendcoaching und berate dort Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren, die Unterstützung hinsichtlich Beruf, Arbeit oder Schule brauchen. Auch in diesem Kontext beraten wir delinquente Jugendliche und junge Erwachsene – auch in den Justizanstalten, um den Übergang von der Haftstrafe in eine berufliche oder Tagesstruktur zu begleiten.
Wie ergänzen sich dein Ehrenamt und Hauptberuf gegenseitig? Profitiert das eine vielleicht sogar vom anderen?
Es ist eine gute Ergänzung, weil ich im Hauptberuf sehr gut vernetzt bin und viele Player in diesem Bereich kenne. Außerdem habe ich Erfahrung mit dem Klientel. Auf der anderen Seite arbeite ich im Ehrenamt mit Fachleuten zusammen, die neue Erfahrungen und Erkenntnisse bringen, die für meine Arbeit als Jugendcoachin wichtig sein können.
Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ehrenamtliche Bewährungshelferin bist? Welche Rückmeldungen bekommst du, wenn du davon erzählst?
„Das ist sicher eine anstrengende Arbeit“, „Da braucht man aber auch viel Geduld“, „Fürchtest du Dich nicht vor den Klient:innen?“
Wie viele Klient:innen begleitest du derzeit?
Zwei.
Gibt es Klient:innen-Typen mit denen du besonders gerne und konstruktiv arbeitest? Also liegen dir bestimmte demografische Gruppen oder Delikt-Arten mehr als andere?
Mein Selbstbild sagt mir, dass ich mit allen Klient:innen arbeiten kann. Natürlich habe ich in den letzten Jahren vermehrt mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen gearbeitet, davor mit Frauen in einer Frauenberatungsstelle. Jugendliche Personen und junge Erwachsenen sind meine Berufung, aber alle anderen „kann“ ich auch.
Gibt es so etwas wie eine typische Betreuungssituation? Wie laufen die Termine mit deinen Klient:innen ab?
Da ich erst zwei Klient:innen habe, kann ich keine Vergleiche ziehen. Mit meinen Klient:innen treffe ich mich meistens in einem Kaffeehaus oder wir gehen spazieren. Momentan halte ich mich noch ziemlich genau an den „Gesprächsleitfaden“ von NEUSTART, da ich noch Erfahrung sammle.
Was sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Straffälligen?
Ich kann hier nur spekulieren, da ich noch nicht so lange dabei bin. Es kann frustrierend sein, wenn Klient:innen wieder rückfällig werden, man aber das Gefühl hatte, Fortschritte zu machen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass eigene moralische und ethische Vorstellungen und Werte eine Herausforderung sein könnten, vor allem wenn das Delikt im Widerspruch dazu steht.
Woran merkst du ganz konkret, dass deine ehrenamtliche Arbeit etwas bewirkt?
Wenn mein:e Klient:in nicht rückfällig wird (lacht). Aber grundsätzlich denke ich, dass Menschen und deren Systeme – also ihr Umfeld, eigene Anteile usw. – wie ein Mobile funktionieren. Stupst man das eine Ende an, kommt das Ganze in Bewegung und wackelt so lange, bis es wieder im Gleichgewicht ist. Ich meine damit, dass jede Irritation eines Systems etwas bewirkt, weil es sich bewegen muss. Mit Irritation meine ich jedes Gespräch, jeden Denkanstoß, jede Diskussion. Besonders freut mich, wenn mich Klient:innen anrufen, um mir wichtige Veränderungen, Gelungenes oder Schönes mitzuteilen.
Wie findest du persönlich Ausgleich zu deinem Job und Ehrenamt? Was machst du in deiner Freizeit?
Ich entspanne mich am Besten mit einem guten Buch und einer Schokolade und damit ich von der ganzen Schokolade nicht übergewichtig werde, gehe ich auch noch Reiten und Squash spielen. Außerdem habe ich eine Tochter, da kommt Freizeit ohnehin zu kurz. Mein persönlicher Ausgleich ist tatsächlich der Humor. Ich nehme mich selbst nicht all zu ernst und habe nicht auf jede Frage eine Antwort.